Bildband:Dunkler Dschungel

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Auf den Spuren des Autors Joseph Conrad ist der Fotograf André Lützen über den Kongofluss gefahren.

Von Tobias Lehmkuhl

"Nabkab - NebyN Point R from Middle NNE. On pt Bankab two high trees": Joseph Conrads Eintragungen in das nautisches Tagebuch, das er führte, als er 1890 auf der S. S. Roi de Belges den Kongo befuhr, sind für Landratten einigermaßen enigmatisch. Sie stellen gleichwohl die sachliche Rückseite dessen dar, was zwölf Jahre später an namenlosem Grauen in den Roman "Herz der Finsternis" eingegangen ist. Orientieren können freilich wird sich auch der erfahrene Seemann und Flussfahrer heute nicht mehr an diesen Eintragungen, von denen ein Auszug in André Lützens Bildband "Up-river Book" abgedruckt ist ( Peperoni Books, Berlin 2017. 124 Seiten, 58 Abbildungen, 38 Euro). Zu sehr hat der Fluss die Landschaft in den vergangenen 138 Jahren verändert. Geblieben ist allerdings die Bedrohlichkeit, die der Fluss mit jedem Wellenschlag ausstrahlt.

So zumindest der Eindruck, taucht man in die Bildwelt des 1963 geborenen Hamburger Fotografen ein.

Auf einem Patrouillenboot der UN hat Lützen den Fluss zweimal befahren, und es scheint nur wenige im wahrsten Sinne lichte Momente gegeben zu haben. Wie wenige andere Fotografen versteht es Lützen, Schatten einzufangen. Es sind vor allem Nachtbilder, die einem hier begegnen, schwach beleuchtete Passagierschiffe, Hütten, die der Scheinwerferkegel des Patrouillenbootes aus dem Dschungel fischt, der undurchdringliche Dschungel selbst in seinem schmutzigen Grün.

In der Mitte des Bandes wird es etwas heller, ohne je sonnig zu sein, ein Morgengrauen, das eben auch Grau und Grauen in sich birgt. Bleiern liegt der Fluss da, aus müden Augen schauen einen die Menschen an. Vom tunesischen UN-Soldaten sieht man außer dem Abzeichen und seinem Handy nur ein Maschinengewehr, das in die leere Weite des Flusses weist. An einer Wand Graffiti wie von einer untergegangenen Zivilisation.

Dann wird es wieder dunkel, verschwommen, unwirklich. Am fernen Ufer womöglich Menschen auf Knien, kurz vor der Hinrichtung. Die in den Morast gewalzten Überreste einer toten Ratte. Erst allmählich realisiert man, dass diese Bilder mehr von einer ewigen Apokalypse erzählen, als man anfangs und angesichts der trockenen Aufzeichnungen Joseph Conrads wahrhaben wollte.

© SZ vom 27.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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