Berlinale:Bär in der Bredouille

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Dieter Kosslick, hier mit Meryl Streep, bei der Berlinale 2016. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Bitte macht ein Ende mit der sinnfreien Dampfplauderei: Warum Deutschlands wichtigstes Filmfestival nicht so bleiben darf, wie es ist.

Von Tobias Kniebe

Anfang nächster Woche kommen sie wieder zusammen, die Damen und Herren, die über die Zukunft der Berlinale entscheiden müssen. Eine Reihe von Experten ist eingeladen, in einem internen Workshop darüber zu diskutieren, wie Deutschlands wichtigstes Filmfestival in Zukunft aussehen könnte. Geladen hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die qua Amt auch Aufsichtsratsvorsitzende der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH (KBB) ist - und damit das Kontrollgremium der Berlinale führt.

Es wird darum gehen, ob das Festival neue Strukturen braucht - vor allem aber um die Suche nach einem Nachfolger für den 2019 scheidenden Berlinale-Chef Dieter Kosslick. Grütters betreibt diese Suche zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern des KBB-Aufsichtsrats - trotz aller Forderungen nach der Einsetzung einer internationalen Findungskommission. Auf wen auch immer am Ende die Wahl fällt - das Verfahren ist eine Ohrfeige für die fast 80 deutschen Filmemacher, die genau das in einem offenen Brief im Dezember gefordert hatten. Und natürlich auch die Ansage: Wir können das sehr gut selbst.

Mit anderen Worten: Experten werden nun angehört und können viel erzählen, wichtig ist aber nur, was drei Insider im kleinen Kreis aushecken. Was den Druck noch einmal erhöht, bald ein oder zwei neue Berlinale-Führungskräfte zu präsentieren, bei denen sich die internationale Fachwelt nicht besorgt an den Kopf greift.

Gibt es überhaupt noch eine Möglichkeit, das intransparente Verfahren zu beeinflussen? Und wird die Berliner Standortpolitik wichtiger sein als künstlerische Kriterien, die ein Filmfestival weltweit konkurrenzfähig machen? Vielleicht hilft es den Entscheidungsträgern ja, das nebenstehende Interview zu lesen, in dem der 87-jährige Gilles Jacob eine kritische Bilanz seiner fast vier Jahrzehnte in der Führung der Filmfestspiele von Cannes zieht - inklusive des Schlüsselproblems, die beste Frau oder den besten Mann für den entscheidenden Job der Wettbewerbs-Filmauswahl zu finden.

Legt man Jacobs Erkenntnisse zugrunde, um eine Bilanz der Berlinale-Ära unter Dieter Kosslick zu ziehen, sieht man schnell, dass es im bisherigen Modus nicht weitergehen kann. Kosslick füllte für die Berlinale im Grunde die Rolle eines Präsidenten aus, wie Jacob sie für Cannes beschreibt - als Verantwortlicher gegenüber der Politik, als Sponsorengewinner und Motor einer wirtschaftlichen Expansion des Festivals. Das hat er auch gut gemacht - insbesondere die Politik liebte seine Erfolgsmeldungen mit immer neuen Besucherrekorden. Wer immer das fortführt, könnte nun auch in Berlin Präsident genannt werden.

Was jedoch all die Jahre fehlte, war eine cinephile Führungspersönlichkeit. Kosslick ist vieles, aber kein besessener Kinogänger - im Zweifelsfall hat er eher darauf vertraut, sein Nichtwissen mit seinem Hang zur sinnfreien Dampfplauderei zu überspielen. Das führte immer wieder zu Fehlentscheidungen, welche Filmemacher er in seinen Wettbewerb holte und welche nicht, da konnten dann auch seine Berater nicht helfen. Wenn für diese Aufgabe niemand kommt, der dem Festival künstlerisch eine neue Richtung aufprägt, wird es bedenklich.

Und noch etwas wird sehr deutlich, wenn man Gilles Jacob zuhört - das Konzept der Berlinale, mit Hunderten Filmen im Gesamtprogramm möglichst viele Tickets zu verkaufen, muss dringend überdacht werden. Es schadet zwar nicht, dem Publikum viel zu bieten. Das Qualitätslabel einer wirklichen "Sélection" sollte aber auch bei den Nebenreihen auf je zwanzig Filme begrenzt bleiben - sonst geht jeder klare Fokus verloren.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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