"Bel Ami" im Kino:Automatisch irgendwie romantisch

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Er spielt einen Habenichts voll Wut und Groll und schafft so den Gegenentwurf zu "Twilight"-Vampir Edward: Warum Robert Pattinson in "Bel Ami" die Hauptrolle übernehmen wollte, ist klar. Doch die ungefähr vierzehnte Verfilmung des Stoffs hechelt Liebschaften durch, ohne zum eigentlichen Punkt zu kommen.

Susan Vahabzadeh

Am rührendsten ist Georges, wenn Guy de Maupassant ihn seiner frischgebackenen Gemahlin selbst gestehen lässt, er werde sie recht bald langweilen, weil er dumm sei. Es ist schon klar, warum sich Robert Pattinson diese Rolle ausgesucht hat, den Georges Duroy spielen wollte in der neuesten - es ist so ungefähr die vierzehnte - Verfilmung von "Bel Ami". Nicht der Kostüme wegen oder des romantischen Settings im Paris des 19. Jahrhunderts; und die beiden Regisseure, Nick Ormerod und Declan Donnellan, haben vorher noch nie einen Kinofilm inszeniert.

Die verheiratete Madeleine (Uma Thurman) beginnt eine Affäre mit Georges (Robert Pattinson) - die neueste Verfilmung von "Bel Ami" hechelt vor allem Liebesgeschichten durch.  (Foto: dpa)

Aber Pattinson hat es wohl gefallen, dass Georges so schön weit weg führt vom edlen, großherzigen "Twilight"-Vampir Edward. Da ist ein verführerischer Habenichts, voll Neid und Groll, ein krasser Gegenentwurf.

Georges ist gerade frisch aus Algerien heimgekehrt, und trifft auf Forestier, einen Offizier, den er in der Armee kennengelernt hat. Der nimmt ihn mit zu einer Dinnerparty, und dass am Ende des Abends eine Perspektive herauskommt - Georges soll seine Erinnerungen aus der Soldatenzeit für ein Magazin aufschreiben - liegt vor allem an den Damen bei Tisch.

Mit der lebenslustigen Clotilde de Marelle (Christina Ricci) wird er eine Affäre anfangen, Madame Rousset (Kristin Scott-Thomas), die Frau eines Chefredakteurs, wird ihn protegieren, und Forestiers Frau Madeleine (Uma Thurman) wird ihm seine Texte sozusagen diktieren, denn als Autor ist Georges eigentlich eine Niete.

Georges kommt aus dem Nichts und will nach oben, und er wird andere benutzen, um das zu schaffen, ein männliches Gegenstück zu Rebecca Sharp, der Anti-Heldin in Thackerays "Jahrmarkt der Eitelkeiten", schon 35 Jahre zuvor erschienen und doch schärfer; Becky ist wesentlich aufregender und viel durchtriebener als Georges.

Aber es geht, im Prinzip, um dasselbe Thema: Was die Klassengesellschaft aus einem Individuum macht, dem sie von vornherein alle moralisch akzeptablen Chancen verbaut hat. Georges muss sich entweder mit bitterer Armut abfinden, mit Arbeit, bei der er sich unterfordert fühlt oder er charmiert sich in die bessere Gesellschaft hinein, bis man ihm dort einen Job verschafft, und er vielleicht - einziger Weg, sich dort langfristig einzunisten, für Georges wie für Becky - in den Wohlstand einheiraten kann.

Mehr aufgebürdet, als er tragen kann

Worum es eigentlich geht in "Bel Ami", das kommt in der Verfilmung von Donnellan und Ormerod ein wenig zu kurz - das liegt zum einen daran, dass sie lieber alle Eckdaten des Romans und Georges' Liebschaften durchhecheln, als sich an den Kern der Geschichte heranzutasten.

Zum anderen liegt es daran, dass die Überreste dieser Klassengesellschaften in der Gegenwart hinter den Kostümen und Manieren des 19. Jahrhunderts nur schwer sichtbar werden: Ein Emporkömmling in einem Pariser Nachtclub, das wirkt automatisch irgendwie romantisch, egal, wie arm er dran ist; und das politisch-wirtschaftliche Komplott, für das Georges als Leitartikler missbraucht wird von seinen vermeintlichen neuen Freunden, ist in dieser Geschichte eher eine Randerscheinung.

"Bel Ami" wirkt ein wenig so, als hätten sich Donellan und Ormerod auf die Zugkraft von Pattinson allzusehr verlassen und ihm mehr aufgebürdet, als er tragen kann. Das ist das Problem mit dem frühen Ruhm: Großer Erfolg weckt große Erwartungen.

BEL AMI, GB 2011 - Regie: Declan Donnellan, Nick Ormerod. Drehbuch: Rachel Bennette, nach Guy de Maupassants Roman. Kamera: Stefano Falivene. Mit: Robert Pattinson, Uma Thurman, Kristin Scott Thomas, Christina Ricci, Colm Meaney. Studiocanal, 102 Minuten.

© SZ vom 04.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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