Bayreuth:Arie in Blau

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Neo Rauch & Rosa Loy gießen Lohengrin ins Farbenspiel

Von Susanne Hermanski

Das Bühnenbild und die Kostüme von Neo Rauch und seiner Frau Rosa Loy für "Lohengrin" haben nach der Premiere im Juli international die größte Resonanz erfahren. Das liegt an Bayreuth als Gralsort für die Wagnerianer aus aller Welt - aber durchaus nicht nur. Was da aus der Hand von Rauch und Loy auf der Bühne entstanden ist, besitzt einen Detailreichtum und eine magische Intensität, die andere Aspekte der Inszenierung überstrahlt. Sechs Jahre lang hat sich das Künstlerpaar mit den Vorarbeiten für "Lohengrin" beschäftigt, ihrer ersten Arbeit fürs Theater überhaupt. Neo Rauch hat sie eigener Aussage nach so manche schlaflose Nacht bereitet. Auf dem langen Weg mussten sich er und Loy sogar vom Regisseur verabschieden, mit dem sie das ursprüngliche Konzept entwickelt hatten: Alvis Hermanis. Ende 2016 entschied sich der Lette, durch Äußerungen zur Flüchtlingskrise unter Druck geraten, den "Lohengrin" in Bayreuth doch nicht zu inszenieren.

Ein Turm, Starkstrom und die unendliche Farbe der Romantik - Neo Rauchs Handschrift ist unverkennbar in "Lohengrin". Sieben Vorstellungen stehen in Bayreuth im Sommer auf dem Spielplan. (Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele)

Sein amerikanischer Kollegen Yuval Sharon übernahm den Auftrag - und die Perspektive von Rauch und Loy auf Wagners romantisches Musikdrama. Schon Nietzsche hatte über das Vorspiel zu "Lohengrin" geschrieben, diese Musik sei "blau, von opiatischer, narkotischer Wirkung". Und so gestalteten Rauch und Loy auch ihr Bühnenbild. Sie bauten auf einen Rundhorizont und setzen davor satte surreale Momente. Wem die Gemälde von Neo Rauch geläufig sind, der erkennt in der Szenerie allerlei ikonografische Elemente seines Repertoires wieder. Wie etwa bestimmte Turmspitzen oder Hochspannungsleitungen - im Fall "Lohengrin" ein an Fritz Langs Film "Metropolis" gemahnendes Umspannwerk.

Neo Rauch und Rosa Loy. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Die längste Zeit ist alles auf der Bühne in dominantes Blau getaucht, zuweilen übernimmt pudriges Grau, später verbrennt auch gellendes Orange die Szenerie, und am Ende des fein abgezirkelten Farbenspiels taucht Elsas Bruder Gottfried auf: als ein ganz und gar unwirklich knalliger Hoffnungsträger in Grün - von Hut und Gesicht bis hinab zur Schuhsohle pastos damit überzogen. Viele andere Figuren tragen Flügel. Auf den wechselnden, im wahrsten Sinne pittoresken Hintergründen sind Landschaften zu sehen und gleißende Himmel. Mal stehen davor schemenhafte Felsen, mal Trauerzypressen wie von Böcklins Toteninsel entliehen oder Schilf als Übergangszone in jeder Ebene der Deutung. Blitze durchbrechen das Dunkel und gelegentlich lassen Rauch und Loy sogar zarte Gazevorhänge vors Bühnengeschehen sinken, um ihm einen Hauch Unschärfe zu verleihen. "Wenn man sich einer zu großen Eindeutigkeit befleißigt, produziert man Propaganda. Es geht immer um Ambivalenz", sagt Neo Rauch dazu.

Und auf die Frage, wie es sich anfühle, seine Entwürfe dreidimensional zu sehen, gab er zu Protokoll: "Das ist geradezu ein surrealer Moment. Als ich das erste Mal einer Kostümprobe beiwohnte, und es trat ein Herr aus der Kulisse hervor, den ich kurz zuvor gezeichnet hatte - bis ins Physiognomische hinein präzise erfasst -, da dachte ich, das kann doch nicht wahr sein. Das war unheimlich. Und so setzt sich das fort bis ins Große hinein. Ich sitze im Zuschauerraum und stelle fest, dass meine Bilder von erwachsenen Menschen in seltsamer Kostümierung zum Leben erweckt werden, und das geschieht mit einem heiligen Ernst. Das rührt mich an."

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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