Bayerischer Hof:Das Warten auf Überraschung

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"Incognito" und Nik West eröffnen den "Jazz Sommer"

Von Oliver Hochkeppel, München

Mit dem Jazz-Begriff ist es nicht leicht. Wer die Szene kennt, weiß, dass Jazzer inzwischen auf nahezu alle anderen Genres zugreifen und sie sich einverleiben. Die breite Öffentlichkeit aber denkt dabei immer noch an Dixie, Swing oder - im schlimmsten Fall - an "Free"-Experimente. Weil auch Jazzfestival-Veranstalter gerne ein volles Haus haben, kann man den musikalischen Inhalt speziell der Eröffnungsabende in den größeren Sälen meist analog zu Lebensmittel-Verpackungen beschreiben: "Besteht aus Soul, Funk, Reggae und Pop. Kann Spuren von Jazz enthalten." Das trifft schon lange auf die namhaftesten Festivals von Montreux bis Burghausen zu, und auch der Start in den "Jazz Sommer" im Bayerischen Hof machte da nun keine Ausnahme.

War beim Festakt mit der Ausstellungseröffnung die Jazzgemeinde von Klaus Doldinger bis zu Cornelius Claudio Kreusch noch unter sich - was ja auch gut zu den ganz klassischen Schwarz-Weiß-Porträts der New Yorker Fotografin Adriana Mateo von ausschließlich "richtigen" amerikanischen Jazzern passte -, so wurde anschließend im Festsaal zwangsläufig um eine breit aufgestellte Kundschaft gebuhlt. Dafür war Incognito genau das Richtige, gehört doch das immer viel-, in diesem Fall elfköpfige Kollektiv des Gitarristen Jean-Paul "Bluey" Maunick zu den vier, fünf Bands, die in den späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahren mit ihrem Soul-getriebenen und Dancehall-adressierten Acid-Jazz dem Genre völlig neue Publikumsschichten erschlossen. Das ist auch heute, gespielt von exzellenten Musikern wie diesen, immer noch eine sichere Sache. Bloß geht den 30 Jahre alten, solide abgezirkelten Incognito-Hits von "Talking Loud" bis "Always There" völlig ab, was Fans des aktuellen Jazz so schätzen: Überraschungen, Grenzüberschreitungen und das Erregen von mehr als einer emotionalen Ebene.

Vielfalt war kurioserweise das Problem beim letzten Akt des Abends, dem Auftritt von Nik West und ihrer Band im Nightclub. Dass es bei der Prince-Bassistin mit den futuristischen, wie von Luc Besson entworfenen Glitzer-Outfits samt Monster-Irokesen-Haarteil eher um Funk als um Jazz gehen würde, war von vorneherein klar. Doch auf ihren Alben hat das außer mit flinken Fingern und Slap-Daumen auch mit einer großartigen Stimme gesegnete Showgirl mit der Bündelung ihrer Qualitäten in eigenen Songs überzeugt. Hier zerfaserte der Auftritt in eine Leistungsschau instrumentaler Gimmicks, vorgeführt an einem beliebig wirkenden Pop-Sammelsurium von den Beatles über Tina Turner und John Fogerty bis zu - natürlich - Prince. Was den hier oft spielenden Hotel-Coverbands gefährlich nahekam. Klar, ein bisschen Show muss sein, aber in den kommenden Tagen darf es gerne wieder mehr Jazz werden.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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