Bayerische Landesgeschichte:Lehrmeister Bayerns

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In der Nacht zum 7. Oktober 1528 bedrängten herzogliche Häscher den Gelehrten Johannes Aventinus, der Verständnis für Luther zeigte. Alois Schmid leuchtet Leben und Werk des ersten Geschichtsschreibers des Landes aus.

Rezension von Rudolf Neumaier

Sie schickten ihm Schergen, übler hätten sie Johannes Aventinus, dem großen bayerischen Gelehrten, kaum zusetzen können. In der Nacht zum 7. Oktober 1528 drangen die herzoglichen Häscher in die Wohnung ein, die er in seiner Heimatstadt Abensberg bezogen hatte, um sich in der Abgeschiedenheit der Provinz seinen Studien zu widmen. Wegen seiner liberalen Haltung zu Luthers Lehre kam er ins Gefängnis. Nach diesem Übergriff war er ein gebrochener Mann und verließ Bayern. Dunkle Zeiten.

Johannes Aventinus, der im Jahr 1477 geborene Sohn des Abensberger Weintavernen-Betreibers Peter Turmair, legte einen sagenhaften Aufstieg zum herzoglichen Hofintellektuellen hin. In Bayern wird er heute noch als der erste Geschichtsschreiber des Landes verehrt, Schulen sind nach ihm benannt. Nun fand Alois Schmid, es sei an der Zeit für eine Biografie seines Ahnen in der Geschichtswissenschaft. Wenn Historiker wie Schmid über Historiker wie Aventin schreiben, hat das etwas Programmatisches. Als Vorsitzender der Kommission für bayerische Landesgeschichte an der Akademie der Wissenschaften war Schmid so etwas wie ein Nachfolger im Amt des Oberhistorikers im Freistaat. Seine großartige Aventin-Monografie, die auch das Werk und die lange und wechselvolle Rezeption ausleuchtet, kann man als Verneigung vor dem Humanismus lesen.

Wenn Melanchthon der praeceptor Germaniae war, der Lehrmeister Deutschlands, dann war Aventinus der praeceptor Bavariae. Die beiden Gelehrten korrespondierten, Aventin versuchte, Melanchthon nach Ingolstadt zu lotsen - die Landesuniversität war das geistige Zentrum Bayerns. Auch wenn er die meiste Zeit im Herzogtum wirkte und über Bayern forschte, war er weltläufig, wie es sich für einen Humanisten seines Rangs gehörte. Der junge Turmair hatte, ehe er sich mit dem latinisierten Namen seiner Vaterstadt schmückte, in Krakau, Wien und Paris studiert. Sein bedeutendster Lehrer hieß Konrad Celtis, der Wiederentdecker des Altgriechischen, den er als Homerus germanicus verehrte. Celtis brachte seinen Zögling von einer geistlichen Laufbahn ab. Dennoch führte Aventin lange Zeit ein mönchisches Leben - immer im Dienste der Wissenschaft.

Alois Schmid nähert sich Aventins Geist und Wesen vor allem über dessen Schriften, aber auch über dessen Lektüren. Plinius' Leitsatz, alles hänge von den Zeitumständen ab, auf die ein Mensch mit seinen Talenten treffe, habe der Jüngling aus dem damals ober- und heute niederbayerischen Abensberg zu seiner "bestimmenden Lebensmaxime" gemacht. Der Hof in München berief ihn zum Erzieher der drei Prinzen. Als die Burschen ausgewachsen waren, wirkte Aventin als Hofhistoriograf. Dass er Luthers Reformen nicht rundherum ablehnte wie seine früheren Zöglinge und nun glaubensstrengen Landesherrn, wurde ihm zum Verhängnis. Er floh in die freie Reichsstadt Regensburg, heiratete und starb mit 57 Jahren. "Das Leben des bedeutenden Mannes", schreibt Alois Schmid, "klang im Übrigen völlig unbeachtet aus."

Alois Schmid: Johannes Aventinus (1477 - 1534). Werdegang - Werke - Wirkung. Eine Biographie. Verlag Schnell und Steiner, Regensburg 2019. 288 Seiten, 28 Euro.

© SZ vom 11.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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