Ballett:Kraft statt Eleganz

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Wiederaufnahme von "La fille mal gardée"

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

1964 haben die Münchner Frederick Ashtons Version der "Fille mal gardée" als Gastspiel erstmals gesehen. 1971 hatte die emanzipatorische Ballettkomödie mit dem Ballett der Bayerischen Staatsoper Premiere. So manchen Ballettfreund begleitet die charmante Geschichte um das Landmädchen Lise, die, um mit dem geliebten Colas zusammen zu sein, ihre geldgeile Mutter, die Witwe Simone, erfolgreich austrickst, demnach fast ein Erwachsenenleben lang. Da hat man dann seine festen Bilder im Kopf: etwa Gislinde Skroblin, die schon lang tot ist, als liebreizende Lise und Tomasz Kajdanski, heute Ballettchef in Dessau, wie er chaplinesk watschelnd als tumber Alain seinem Regenschirm nachjagt. Und natürlich, unvergesslich, Michel de Lutry, auch schon gestorben, den wandelnden Kugelblitz, als beschwipste Witwe Simone beim famosen Holzschuhtanz, in einer der lustigsten Travestien der Tanzliteratur.

Simone will Lise mit dem Tölpel Alain zwangsverheiraten, was der Vater des Jungen, der reiche Weingutsbesitzer Thomas, reichlich zu vergolden bereit ist. Lise aber liebt den feschen Colas. Und am Ende siegt Lise, siegt die Liebe übers Geld. Frederick Ashtons Choreografie liegt nicht die Urfassung von Jean Dauberval von 1789, sondern eine spätere Überarbeitung derselben durch einen Dauberval-Schüler aus dem Jahr 1828 zugrunde. Der Brite sättigte französische Pikanterie mit trockenem englischen Humor. Und dies ganz allein - ein Meisterstück - mittels unübertroffenem, oftmals derb karikierendem Bewegungswitz, weshalb man eines der ältesten überlieferten Ballette in seiner nunmehr auch schon 57 Jahre alten Royal-Ballet-Variante jederzeit gern wiedersieht. Nach fünf Jahren Pause also steht es wieder auf dem Spielplan des Bayerischen Staatsballetts. Man freut sich über die liebevoll gemalten Landschaftsprospekte und das muntere Spiel des Bayerischen Staatsorchesters unter Myron Romanul, der Ferdinand Herolds leichthin illustrierende und kommentierende Musik saftig zum Erblühen bringt.

Aber kaum hat der junge Hahn mit seinen vier Hennen gockelnd vorgemacht, was Männer an Imponiergehabe so drauf haben, fängt man im Zuschauerraum zu zittern an. Oh, die verflixten Bändertänze! Und deren gibt es im ersten Akt nun mal viele. Da verheddern sich die Tänzer allzu leicht. Vittorio Alberton, eine eher grobschlächtige als listig auf ihren Vorteil bedachte Witwe Simone, verstolpert den Holzschuhtanz. Gianmarco Romano, Maria Shirinkina und Vladimir Shklyarov überzeugen in ihrem Debüt als jugendlich-keckes Liebespaar nur dann, wenn's lyrisch oder bravourös wird. Sie demonstrieren - wie auch die Gruppentänzer - Kraft statt fließender Leichtigkeit, Energie statt Ironie. Hier überrumpelt russischer Aplomb englische Eleganz. Es ist eben eine Frage des Stils: Für Ashton fehlt's noch weit.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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