Ballett:Heimsieg eines Debütanten

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Der Rumäne Edward Clug setzt in "Shades of Us" musikalischen Minimalismus in Bewegung um. (Foto: Nik Schölzell)

Erstaunliches beim jüngsten Ballettabend in Augsburg

Von Rita Argauer, Augsburg

Sowohl beim Tanz-Ensemble des Gärtnerplatztheaters und deren Choreografie-Projekt "Minute Made" als auch nun am Theater Augsburg passiert Erstaunliches, sobald ein Tänzer aus dem Ensemble für die ihm so vertraute eigene Kompanie choreografiert. In Augsburg ist das Riccardo De Nigris. Gerade beginnt für den 28-Jährigen eine zweite Karriere als Choreograf. Seit 2010 ist er Tänzer im Ensemble des Theaters. Seit einigen Wochen ist er auch der neue Hauschoreograf der Kompanie. Mit "Ascending Glide" stellt er sich nun auf der großen Bühne des Theaters vor - im dreiteiligen Tanzabend "Von Göttern und Menschen", flankiert von George Balanchine und Edward Clug.

Doch zu Beginn steht De Nigris in der Raum-Bewegungsstudie "Shades of Us" des rumänischen Choreografen Edward Clug noch in seiner Funktion als Tänzer auf der Bühne. Zusammen mit dem Komponisten Milko Lazar hat Clug im Auftrag des Theaters ein gegenwärtiges Abbild des musikalischen Minimalismus' geschaffen. In den schwelenden, kratzenden und pumpenden Klängen für Streichorchester hört man Steve Reich. Mit den wie durch einen großen Magneten im Bühnenboden am Platz gehaltenen Tänzern spürt man eine Lust Clugs, weniger die einzelnen Tänzer, als diesen sich monoton zu immer größerer Opulenz schichtenden Musikstil zu inszenieren. Es passt, dass die Bewegungen der Tänzer dazu abgehackt und puppenhaft sind. Doch als zeitgenössische Version von "Petruschka" gibt Clug ihnen trotz ihrer zombiehaften Strenge einen gewissen Humor mit, etwa wenn ein steif sich bewegender Mann mehr oder weniger sexy die Hüfte schwingt. Balanchines puristischer "Apollo" und das spätere volkstümliche Virtuosenstück "Tarantella" wirken da im Anschluss fast romantisch. Doch so ganz überträgt sich Balanchines Lust an der reinen Schönheit nicht. Die Solisten des Ensembles tanzen das korrekt, aber nicht als übermenschliches Extrem, die diesem Stück eigen ist.

Ausdruck, Technik und Stil gehen dann in De Nigris' Finale umso mehr zusammen. Seine Choreografie zu Mozarts Haffner-Sinfonie vermischt mit feinem Witz Klassik und Moderne und entspricht perfekt den Körpern und dem Können der Tänzer. Ähnlich wie Richard Siegal schöpft De Nigris aus dem Vollen, was der Bühnentanz im Lauf seiner Geschichte so angesammelt hat. Doch ist er lustiger als Siegal, weniger edel und etwas draufgängerischer. Und so kippen seine Ensemble-Kollegen in hinreißenden Corps-Stücken fröhlich aus der Achse, nur um in schönster klassischer Pose anzukommen. Sie erklimmen risikofreudig die grauen Betonklötze des Bühnenbilds, um anschließend in erfreulich präzisen Duetten wunderbar musikalisch auf Mozart zu tanzen. Es bleibt die Vorfreude auf weitere Stücke von Riccardo De Nigris für die Augsburger.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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