Auszeichnung für weißrussische Autorin:Friedenspreis an Swetlana Alexijewitsch

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Die weißrussiche Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch, die in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält. (Foto: dpa)

Vom Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht erneut eine politische Botschaft aus. Preisträgerin ist in diesem Jahr die weißrussische Autorin Swetlana Alexijewitsch, die mit Berichten über Tschernobyl und aus Afghanistan weltweit bekannt wurde.

Die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Dies teilte der Stiftungsrat am Donnerstag in Frankfurt mit.

Die 65-Jährige ist durch Berichte und Reportagen über die Atomkatastrophe in Tschernobyl und über den sowjetischen Afghanistankrieg weltweit bekanntgeworden.

Die gelernte Journalistin hat dafür einen eigenen Stil der literarischen Collage entwickelt. Geehrt werde eine Autorin, "die die Lebenswelten ihrer Mitmenschen aus Weißrussland, Russland und der Ukraine nachzeichnet und in Demut und Großzügigkeit deren Leid und deren Leidenschaften Ausdruck verleiht".

Nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums sei Swetlana Alexijewitsch zur Chronistin geworden von Menschen, bei denen ein Grundstrom existenzieller Enttäuschungen spürbar sei.

Alexijewitsch nahm die Nachricht von der Auszeichnung mit dem Friedenspreis mit Genugtuung auf. Die Würdigung sei auch eine Anerkennung für Regimegegner in ihrem Land. "Das ist eine Unterstützung für diejenigen, die im Gefängnis sitzen, und für alle, die etwas anders machen wollen in Belarus", sagte die 65-Jährige.

Die Bekanntgabe des Preises erreichte Alexijewitsch während eines Krankenhausaufenthaltes in Minsk. "Natürlich ist das auch eine Anerkennung für meine 35 Jahre lange literarische Arbeit", sagte sie.

"Niemand schreibt über mich"

In ihrem Schaffen habe sie sich immer mit der sowjetischen Vergangenheit auseinandergesetzt. "Der Kommunismus ist wie eine Virus-Krankheit. Trotz Heilmitteln kommt er in immer neuen Varianten wieder", sagte sie in einem Telefonat vom Krankenbett. An diesem Freitag will sie wieder nach Hause zurückkehren.

Es sei gut möglich, dass der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko diese Ehrung als Provokation verstehe. "Seine Reaktionen sind unberechenbar", sagte die Schriftstellerin, die in dem autoritär geführten Land vom öffentlichen Leben fast völlig ausgeschlossen ist.

"Die Machthaber tun so, als ob es mich nicht gibt, lassen mich nirgends auftreten, nicht im Fernsehen, nicht im Radio, nicht in Schulen oder Universitäten", sagte die Autorin. Niemand verlege in Weißrussland ihre Werke. "Niemand schreibt über mich", sagte sie.

Der Preis zeige aber, wie stark gerade die deutschen Leser - "vom Intellektuellen bis zum einfachen Menschen" - am Dialog interessiert und vom Wunsch zu verstehen getrieben seien.

Ihre literarische Methode wandte Alexijewitsch erstmals 1983 in "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht" an. Mit Hilfe zahlreicher Interviews thematisierte sie in dem Buch das Schicksal sowjetischer Soldatinnen im Zweiten Weltkrieg. In der Folge wurde sie angeklagt und verlor ihre Anstellung.

In "Zinkjungen" (1989) führte sie mehr als fünfhundert Interviews mit Veteranen aus dem sowjetischen Afghanistan-Feldzug und Müttern von gefallenen Soldaten. 1997 erschien ihr Werk über die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl mit erschütternden psychologischen Porträts über die Auswirkungen auf die Betroffenen.

Alexijewitsch wurde am 31. Mai 1948 im westukrainischen Stanislaw (heute Iwano-Frankowsk) geboren. Sie arbeitete nach einem Journalistik-Studium zunächst bei einer Lokalzeitung sowie als Lehrerin.

Da sie in Weißrussland nicht mehr öffentlich auftreten darf und ihre Werke verboten sind, hielt sie sich seit dem Jahr 2000 überwiegend im Ausland auf. 2011 ging sie trotz ihrer oppositionellen Haltung zurück nach Minsk.

Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wird zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse am 13. Oktober in der Paulskirche überreicht. Dem Statut zufolge geht er an Persönlichkeiten, "die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen" haben.

Mit der renommierten Auszeichnung werden seit 1950 Schriftsteller, Philosophen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland geehrt. Unter den Geehrten sind große Namen wie Astrid Lindgren, Hermann Hesse, Siegfried Lenz, Mario Vargas Llosa oder Orhan Pamuk. Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an den chinesischen Schriftsteller und Regimekritiker Liao Yiwu.

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