In diesem Australien möchte man nicht leben. Bandenkrieg an der Westküste: Die Trans gegen die Apachen, eingewanderte teufelskluge Asiaten gegen etwas einfacher gestrickte Lokalrocker. Es sterben dabei nicht nur Brutalos, sondern mal mehr, mal weniger unschuldige Menschen. Mordmethoden: Kehle durchschneiden, Rücken mit Nägeln durchbohren, es kommt eine angespitzte Zahnbürste zum Einsatz, sie wird durch ein Auge in ein Gehirn eingeführt. Der Kommissar Cato Kwong hat starke Nerven, die vom dauerkläffenden Nachbarhund zusätzlich strapaziert werden, und eine bemerkenswert stabile Psyche. Er isst seine Nudeln, trinkt - zu den Nudeln! - Kaffee und bewahrt (fast) immer einen kühlen Kopf.
Ein böser Mann steigt nachts durchs Fenster, zielt Catos Sohn mit einem Akkunagler ins Gesicht
Es ist sehr heiß, bis zu vierzig Grad, Rauch von Buschfeuern liegt in der Luft, die Bilder dieser Hitze und dieser Morde bleiben noch lange nach der Lektüre im Kopf. Alan Carter schreibt filmisch, manchmal zu filmisch, so dass sich einige Kapitel seines dritten Cato-Kwong-Krimis wie ein Drehbuch lesen. Der Autor ist Brite, lebt aber seit 1991 in Fremantle, südlich von Perth, dort ermittelt auch sein Kommissar Kwong. Der hat chinesische Wurzeln und einen Sohn, den er sich mit seiner schmallippigen Exfrau teilt. In einer der Nächte, in denen sein Sohn bei ihm übernachten darf, klettert ein ganz böser (und leider auch ganz verwirrter) Mensch durch das Fenster und zielt dem Jungen mit einem Akkunagler ins Gesicht ...
Der Plot von "Des Einen Freud" ist fein komponiert, die Cliffhanger-Dichte hoch. Man zappelt als Leser ordentlich mit. Wer Krimis liest, um sich von der bescheuerten Welt abzulenken, wird sich allerdings erst mal fragen, in was für eine kalte, abgründige und bescheuerte Welt er hier hineingeraten ist. Wo sind hier bitte sympathische Menschen? Der Kommissar Kwong ist zwar durchaus sympathisch, aber niemand, der andere an sich heranlässt, auch die Leser nicht.
Gleich zu Beginn wird ein Schwein ausgebuddelt, das mit Nägeln zu Tode gequält wurde. Man riecht das tote Schwein förmlich in der Hitze, und die Frage, die sich dabei ergibt, ist nicht einmal, wie krank muss man sein, um ein Tier so zuzurichten. Sondern was das für eine perverse Inszenierung um diesen Fund ist: Wieso bringt der Mörder eines Mädchens einen Haufen Ermittler und die trostlose Mutter zusammen, verspricht ihnen, nun werde endlich die Leiche der Kleinen ausgegraben - und dann kommt, an der sandigen Stelle, dieses verwesende Schwein zum Vorschein? Will der Kerl die Mutter quälen und sich auf Kosten der Polizei amüsieren, oder hat das Ganze einen verborgenen Sinn?
Diese Szene setzt den Ton für fast vierhundert Seiten Rätselraten. Man rätselt natürlich über die genreüblichen Fragen: Wer hat wen umgebracht und was für ein Motiv er oder sie dazu hatte. Aber bald rätselt man auch darüber, wieso der arme, kluge, zurückhaltende Kommissar Cato Kwong von lauter Menschen umgeben ist, denen er nicht vertrauen kann. Wieso muss überall ein verborgener Sinn lauern? Die Mutter des vermissten Mädchens zum Beispiel, man würde sie liebend gerne sympathisch finden, aber sie benimmt sich dann doch ziemlich komisch. Oder Catos Kollegin Lara, die mal mit Cato geschlafen hat und nun einem anderen Kollegen, von dem sie sich einen Karriereschub erhofft, mit strategischem Vergnügen sexuell gefällig ist - diese Lara verheddert sich in Wie-du-mir-so-ich-dir-Spielchen und weiß nicht mehr, wo oben und wo unten ist. Der Kollege, den sie vögelt - Laras Vokabular -, entpuppt sich als . . . Nun, es ist einfach so, dass die Welt der Drogendealer und Menschenquäler sich in diesem Buch erschreckend eng mit der Welt der Polizei verwebt, was selbstverständlich zu weiteren Opfern führt.
Da glaubt man, Licht am Ende des Tunnels zu sehen, sagt Catos Vorgesetzter Hutchens (den Cato übrigens verdächtigt, Dreck am Stecken zu haben), aber dann merkt man, das ist ein Schnellzug. Da glaubt man, einer Figur bei Alan Carter vertrauen zu können, aber die Figur tut auf einmal abartige Sachen. Das bisschen Katharsis besteht einzig darin, dass die Übeltäter auf eine Art bestraft werden, die den Rachegöttern gefallen dürfte. Ein böser Mensch (kein Verwirrter, diesmal ein Selbstsicherer) wird mit Handschellen ans Lenkrad seines Autos gefesselt und mit Benzin übergossen. Nur der junge Auftragskiller aus Kongo, der als Kind in der Heimat zu viel Mord und Totschlag sehen musste - so viel Kriminalanthropologie muss sein -, dem geht es am Ende relativ gut.