Ausstellungen:Unbekannte Münter

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Das Münchner Lenbachhaus stellt sein Jahresprogramm vor

Von Jürgen Moises, München

Was wäre die Städtische Galerie im Lenbachhaus heute ohne Gabriele Münter? Sie wäre nicht nur um zahlreiche wunderbare Werke der expressionistischen Künstlerin ärmer, es würden auch andere wichtige Arbeiten des "Blauen Reiter" in der Sammlung fehlen. Denn zu ihrer Schenkung an das Lenbachhaus im Jahr 1957 und damit vor 60 Jahren gehörten neben eigenen Gemälden auch viele Werke ihrer ehemaligen Weggefährten, darunter über 80 Bilder von Wassily Kandinsky. Die Städtische Galerie im Lenbachhaus hat Gabriele Münter, die vor 140 Jahren geboren wurde und 1962 in Murnau starb, also sehr viel zu verdanken.

Höchste Zeit somit, sich bei ihr zu revanchieren. Mit einer Retrospektive etwa, wie es von Ende Oktober 2017 an auch passiert. Insgesamt 130 Werke von Münter, so war bei der Jahrespressekonferenz vom Direktor des Lenbachhauses, Matthias Mühling, zu erfahren, werden gezeigt. Ein großer Teil davon war entweder noch nie oder seit Jahrzehnten nicht mehr öffentlich zu sehen. Dazu gehören Reisebilder aus Tunesien oder Skandinavien. Oder Gemälde wie "Baukran" oder "Der blaue Bagger", die mit der Thematisierung der modernen Arbeitswelt nicht ins Klischee-Bild des "Blauen Reiter" passen und deswegen bisher weitgehend ignoriert wurden. Dass ihr Werk deutlich facettenreicher war, als bisher öffentlich bekannt, auf diese neue Erkenntnis darf man sich im Ausstellungsjahr 2017 schon einmal freuen.

Einen neuen, ungewohnten Blick auf ein vermeintlich bekanntes Terrain zu werfen, das wird auch in anderen kommenden Ausstellungen im Lenbachhaus möglich. Den Anfang macht die Schau "Bildschön - Ansichten des 19. Jahrhunderts", die vom 21. Februar an die Kunst aus dieser Zeit mal nicht als Keimzelle der Moderne und damit keinen Impressionismus, Symbolismus oder Jugendstil zeigt. Stattdessen rücken mit Carl Millner, Heinrich Bürkel oder Carl Friedrich Lessing Künstler ins Zentrum, die im 19. Jahrhundert gerade deswegen populär waren, weil sie eben nicht die Wahrnehmung ihrer Zeitgenossen herausgefordert, sondern deren Welt- und Lebensgefühl bestätigt haben.

Dass sie dabei Motive geschaffen haben, die bis heute darüber bestimmen, was wir als romantisch, traurig oder schön empfinden, das soll die Ausstellung zeigen. Als eine Art Kontrapunkt dazu könnte man die Filmreihe "Normalzustand" verstehen, die sich vom 18. September an dem "Super-8-Film zwischen Punk und Cinema of Transgression" widmet. Die Punkbewegung in Deutschland war nämlich auch eine Filmbewegung, die durch Künstler wie Martin Kippenberger direkte Kontakte zur New Yorker Underground-Filmszene unterhielt. Und diesen Punk-Filmemachern ging es natürlich nicht um Affirmation. Ganz im Gegenteil war der "Normalzustand" hier das erklärte Feindbild. Noch näher an die Gegenwart rückt die Schau "After the Fact. Propaganda 2001-2017" heran. Hier geht es vom 30. Mai an um neue Formen der Propaganda, wie sie auch in unserer Medien-Demokratie alltäglich sind. Begleitet wird die Ausstellung durch ein Veranstaltungsprogramm an den Münchner Kammerspielen.

Was gibt es noch 2017? Die Ausstellung "Mentales Gelb. Sonnenhöchststand", die Werke aus der Sammlung KiCo von Hans-Gerd und Doris Riemer aus Bonn präsentiert. Eine Sammlung, die für die Städtische Galerie deswegen sehr wichtig ist, weil sie diese seit Jahren finanzkräftig dabei unterstützt, Lücken in ihrer Sammlung zu schließen. Das wurde etwa mit Werken von Sarah Morris, Karin Sander oder Corinne Wasmuth geleistet, die neben zahlreichen anderen gezeigt werden. Ein Künstler, der ebenfalls zum langjährigen Inventar zählt, ist Joseph Beuys. Ihm ist die letzte große Ausstellung des Jahres gewidmet. Vom 14. November an sind unter dem Titel "Einwandfreie Bilder 1945-1985" Handzeichnungen und Drucksachen von Beuys aus der Sammlung Lothar Schirmer zu sehen. Arbeiten, die zeigen, was für ein wunderbarer Zeichner Beuys war. Das ist keine neue Erkenntnis, aber weil man in Beuys zumeist den Kunst-Provokateur und das Enfant terrible sieht, wird diese Tatsache manchmal vergessen.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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