Ausstellung:Polnisches Design

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Eine sehr schöne Berliner Ausstellung und die Frage, ob Design in erster Linie die Gestaltung haptischer und visueller Erinnerungen ist.

Von Peter Richter

Wenn wir jetzt schon dauernd darüber reden müssen, was Nationen ausmacht, eint oder abgrenzt, welche Werte und welche Erfahrungen: Wie wäre es mal mit Sachwerten und ästhetischen Erfahrungen, mit dem Design, das die Alltagskultur eines Landes prägt? Auf jeden Fall wäre das was für das Auge. Die Ausstellung "The ABCs of Polish Design", die soeben im Polnischen Kulturzentrum in Berlin eröffnet wurde, dient natürlich, einerseits, der nationalen Selbstvergewisserung im Zeichen der Jubiläumsfeiern zu Polens Unabhängigkeit, und andererseits ist sie wirklich irrsinnig charmant. Das liegt vor allem daran, dass die Kuratoren nicht einfach nur 100 Gegenstände aus 100 Jahren aufreihen wollten, sondern junge polnische Illustratoren noch einmal ihren grafischen Filter darüber gelegt haben. Jetzt erscheinen einem das Logo der LOT Airlines von 1929 und der Wohnwagen N126 von 1973, der so gut zum polnischen Fiat 126 passte, in der Selbstverständlichkeit von Kinderbuch-Illustrationen: Siehe, das war und ist unsere Welt. Teilweise waren diese jungen Grafikdesigner noch nicht mal geboren, als ihr Kollege Jerzy Janiszewski für die Hafenarbeitergewerkschaft Solidarnosc den berühmten Schriftzug entworfen hat, der aussieht wie eine demonstrierende Menge, aus deren Mitte eine polnische Fahne ragt. Aber fast alle pflegen eine Bildsprache, die an Kinderbücher oder Kinoplakate erinnert, die noch einmal zehn, zwanzig Jahre älter sind. Es scheint fast, als wolle diese Ausstellung die These belegen, dass Design in erster Linie die Gestaltung von haptischen und visuellen Erinnerungen ist. Und je jünger die Designer, desto blühender ihre ironische Nostalgie: Die Klamotten der Marke "Pan Tu Nie Stal", etwa: "Sie, mein Herr, standen aber nicht hier", sollen so aussehen, als hätten tatsächlich vor dreißig Jahren die Menschen in den Schlangen danach angestanden, auf die der Name anspielt. Und Katarzyna Lupinska lässt ihre inzwischen weltweit erfolgreichen Massada-Brillen, die immer ein wenig aussehen, als hätte Audrey Hepburn sie am Pool vergessen, wo genau handfertigen? Im traditionstrunkenen England natürlich. Think of it, liebe Brexit-Briten.

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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