Ausbrecher von Aachen:Bild Dir Deine Meinung im Knast

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Wie kam die Bild-Zeitung an die vertraulichen Aussagen des gefassten Aachener Ausbrechers Heckhoff? Justiz und Polizei ermitteln.

Christina Maria Berr

Wie macht man das eigentlich, als Schwerverbrecher aus dem Knast zu türmen? Die Bild-Zeitung ("Bild Dir Deine Meinung!") weiß es genau. Denn in dem Boulevardblatt waren Details zu dem Ausbruch zweier "schwerer Jungs" zu lesen.

Fahndung nach den Ausbrechern Michalski und Heckhoff. (Foto: Foto: ddp)

Da wusste man genau, wie die Kriminellen Michael Heckhoff und Peter Paul Michalski - beide zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt - es angestellt hatten, aus der JVA Aachen auszubrechen.

Es war der 50-jährige Michael Heckhoff selbst, der via Bild beschrieb, wie die Flucht gelang. Unter dem Aufmacher: "Der Ausbrecher packt aus!" wird die Aktion genau beschrieben. Unter anderem heißt es: "Wir hatten eine Pistole, die haben wir von einem Mitarbeiter im Knast gekauft." Und: "Ich hab von einem Wärter den Schlüssel bekommen und auf den Kopierer gelegt."

Anschließend hätten sie nach dieser Kopie einen Zweitschlüssel angefertigt. Auch die weitere Flucht - über Köln, den dortigen Weihnachtsmarkt, einen Aufenthalt im Krankenhaus, weiter nach Essen, in einen Wald am Baldeneysee, in einen Schrebergarten, weiter in eine Privatvilla und schließlich nach Mülheim, wo schließlich die Festnahme Heckhoffs stattfand.

Hat Ausbrecher Heckhoff etwa mit den Reportern von Bild gesprochen? Es handelt sich doch wohl eher um die polizeilich erfassten Aussagen.

Wie das Blatt an die Wortmeldungen des geflohenen und nach drei Tagen verhafteten Gangsters kam, verrät Bild nicht. Dort suggeriert man, Kontakt zu Heckhoff gehabt zu haben - durch die Artikel-Überschrift ("So lief das mit dem Ausbruch") und die dicke Unterzeile ("In Bild spricht er über die unglaublichen Umstände seines Ausbruchs ...").

"Ich kann ausschließen, dass es einen direkten Kontakt oder gar ein Interview eines Bild-Journalisten mit Michael Heckhoff gegeben hat", erklärt Robert Deller, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Aachen. Woher also kamen die Aussagen?

Vermutlich wurden Teile des Vernehmungsprotokolls wiedergegeben. Denn: "Es gibt eine Reihe von Übereinstimmungen in Teilbereichen mit den Vernehmungsakten", so der Sprecher der Justiz. "Wir müssen davon ausgehen, dass die Informationen unbefugt an die Bild-Zeitung gelangten", so eine Sprecherin der Polizei in Köln.

Die Staatsanwaltschaft Aachen, ohnehin mit dem Ausbruchsfall betraut, hat mittlerweile ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eingeleitet. Noch ist nicht klar, woher die Informationen kommen. Es gebe, so Sprecher Deller, eine ganze Reihe von Anwälten, Justizbediensteten und Polizeibeamten, die auf die Ermittlungsakten Zugriff haben könnten. Momentan versuche man, den Personenkreis weiter einzugrenzen.

Bei Bild gibt man sich entspannt. Pressesprecher Tobias Fröhlich erklärt, man habe nicht wörtlich aus den Ermittlungsakten zitiert, was auch nicht erlaubt sei. Stattdessen heißt es:"Wir hatten schriftliche, autorisierte Zitate von Herrn Heckhoff." Und für ein solches Interview müsse man sich schließlich nicht gegenübersitzen.

Alle Achtung, autorisierte Zitate eines gerade gefassten Kriminellen sind eine Seltenheit.

Landesjustizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter widerspricht jedoch den Angaben des Flaggschiffs von Axel Springer: Es habe kein Interview gegeben, sagt sie. Außerdem würden einzelne Aussagen nicht mit den polizeilichen Ermittlungserkenntnissen übereinstimmen. So sei es angeblich unmöglich, Gefängnisschlüssel auf einem Kopierer abzulichten und nachmachen zu lassen.

Vielleicht kann Bild diesbezüglich noch einmal an der Quelle recherchieren.

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