Argentinische Literatur:Wenn dich ein Wirbelwind liebt

César Aira: Die Schneiderin und der Wind. Roman. Aus dem Spanischen von Christian Hansen. Matthes & Seitz, Berlin 2017. 144 Seiten, 18 Euro. (Foto: Verlag)

Von Karin Janker

Wer wahren Eskapismus sucht, sollte César Aira lesen. Der Dadaist unter den zeitgenössischen Literaten setzt seine Geschichten aus Objets trouvés, aus Szenen des Alltags zusammen. Er trägt sie, in einem Café in Buenos Aires sitzend, mit dem Federhalter in ein Heft ein und schreibt langsam, nicht mehr als ein paar Sätze pro Tag. Auch deshalb liegt ihm die kurze Form, das Novellenhafte, Unerhörte. Etwa 80 Bücher hat der Argentinier bislang veröffentlicht, die wenigsten davon gibt es auf Deutsch. Der Verlag Matthes & Seitz bringt in loser Folge kleine Bändchen heraus, die auch von außen schön schrill sind. Von den sieben bislang in der "Bibliothek César Aira" erschienenen Romanen, ist "Die Schneiderin und der Wind" der beste, weil abschüssigste Einstieg in diese Erzählwelten. Man kann den Roman wie eine Metatheorie zu Airas Schreiben lesen. Beim Versuch, die Handlung zusammenzufassen, muss man kapitulieren, deshalb nur eine Skizze der Ausgangsbedingungen: Eine Näherin "ohne Geschmack, aber von unendlicher Fingerfertigkeit" folgt ihrem verschwundenen Sohn in einem Taxi durch die unendlichen Weiten Patagoniens. Unterwegs verliebt sich ein Wirbelwind in sie - und das Ganze treibt in abgelegene Gefilde erzählerischer Anarchie. Aira geht es beim Schreiben um Freiheit, künstlerische und ästhetische. Die Freiheit, die man im Leben nicht hat, beim Lesen findet man sie.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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