Architekturpreis:Macherin mit Visionen

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Als Nicola Borgmann vor zwei Jahren anfing, den Bunker zu einem Ort der Baukultur zu machen, zeigte sie zum Auftakt in der Ausstellung "Bunker" Fotos vom Atlantikwall von Rainer Viertlböck. (Foto: Robert Haas)

Nicola Borgmann baut den Bunker an der Blumenstraße zu einem Ort der Baukultur aus und leitet seit 26 Jahren die Architekturgalerie. Nun wird sie von der Stadt München ausgezeichnet

Von Evelyn Vogel

Sie in der Öffentlichkeit anzutreffen, ist recht einfach. Wo es in München um Architektur geht, ist die quirlige und immer fröhlich wirkende Nicola Borgmann vor Ort. Doch wenn es um ein Treffen geht, um in Ruhe über all ihre Tätigkeiten zu sprechen, merkt man schnell, dass die Architektin, Kunsthistorikerin, Kuratorin und Leiterin der Münchner Architekturgalerie noch vielseitiger engagiert ist, als man wusste. Auch deshalb wird sie an diesem Mittwochabend mit dem nur alle drei Jahre verliehenen Architekturpreis der Stadt München ausgezeichnet.

Vor Kurzem kam sie aus der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba zurück. Dort arbeitet die Partnerin eines Architekturbüros an der Sanierung des größten Krankenhauses der Stadt. "In einem Gebäudeflügel, in dem seit Kurzem die Station für krebskranke Kinder untergebracht ist, herrschen furchbare Zustände", erzählt sie. Das Krankenhaus wurde in den Sechzigerjahren gebaut und seither nie saniert. Borgmann hat selbst Fundraising dafür betrieben. Ihre Handyfotos zeigen Wände, von denen die Farbe abblättert, Betten, deren Matratzen nur notdürftig mit Decken bedeckt sind, und offene Steckdosen, die eine ständige Gefahrenquelle für Kleinkinder darstellen. "Das Schlimmste aber ist", stöhnt Borgmann: "Das Krankenhaus hat acht Stockwerke, aber ab dem fünften gibt es kein fließendes Wasser mehr." Und doch sagt sie das mit einem Optimismus in der Stimme, als sei das alles kein Problem.

In München hat sie zwar mit solchen Problemen nicht zu kämpfen. Mit Herausforderungen aber schon. Seit zwei Jahren heißt diese Herausforderung Bunker an der Blumenstraße, den sie im Auftrag der Stadt zu einem Ort der Baukultur machen soll. Als sie anfing "gab es zwar kaltes Wasser, aber die Toiletten mussten nach 75 Jahren reanimiert werden", erzählt sie. Borgmann ist ein Mensch, der nicht wartet, bis andere etwas tun, sondern selbst anpackt - auch ganz handfest. "Inzwischen habe ich Ausstellungslicht installiert, Heizstrahler gekauft, Notausgangsschilder und Papierhandtuchhalter aufgehängt, eine Bestuhlung organisiert - es kommt bei jeder Veranstaltung etwas hinzu."

Dass der Bunker schon mit Leben gefüllt ist, liegt auch daran, dass Borgmann so hervorragend vernetzt ist. Eine Folge der Offenheit, mit der Nicola Borgmann auf die Menschen zugeht und eine Folge der intensiven Bemühungen, mit der sie die Architekturgalerie seit mehr als 25 Jahren bespielt. 1992 hat sie den Ausstellungsraum von Horst Haffner, dem späteren Baureferenten Münchens, übernommen. Vom St.-Anna-Platz im Lehel, wo Haffner die Galerie und den zugehörigen Verein einige Jahre zuvor gegründet hatte, ging es in jenem Jahr in die Türkenstraße. Borgmann erinnert sich noch, wie toll sie das fand, dass das Haus eines der wenigen Backsteingebäude Münchens war. Sie ist in Münster aufgewachsen und mit 17 Jahren nach München gekommen. Hier sowie in Rom und London studierte sie Kunstgeschichte und überlegte, als Jahrgangsbeste zu promovieren. Doch dann entschied sie sich, noch ein Studium am Lehrstuhl für Städtebau und Regionalplanung der TU zu beginnen. Eine Entscheidung, die sie bis heute nicht bereut hat.

Borgmann arbeitet im Wohnungs- und Messebau und in der Denkmalpflege, macht städtebauliche Beratung, unter anderem für Siemens, die Münchner U-Bahn und die Stadtwerke, schreibt Bücher, ist Lehrbeauftragte und hat in der Architekturgalerie mehr als 300 Ausstellungen und über 1000 Veranstaltungen organisiert. Derzeit zeigt sie dort Architektur aus dem Allgäu, während im Bunker visionäre Entwürfe zu sehen sind. Kuratorisch wechselt sie zwischen regionalen und internationalen Projekten, legt - unterstützt von der neuen Architekturstiftung - einen Schwerpunkt auf die Nachwuchsförderung, präsentiert aber auch regelmäßig Superstars der Branche. Sie arbeitet mit der TU, dem BDA, der Architektenkammer und etlichen Museen zusammen. 2011 hat Borgmann bereits den Bayerischen Architekturpreis bekommen. Nun ist Nicola Borgmann die erste Frau, die als alleinige Preisträgerin mit dem städtischen Architekturpreis ausgezeichnet wird. Auf ihren Reisen - "eigentlich mein Hauptberuf", sagt die Mutter eines 13-jährigen Sohnes - knüpft sie Kontakte, baut ihr Netzwerk aus und holt sich Anregungen für weitere Ausstellungen. Die Architekturszene Mexikos und Nordamerikas kennt sie ebenso gut wie die von Europa und Japan. Derzeit richtet sie ihren Blick beruflich nach Afrika, aber natürlich wird sich das auch im Programm der Architekturgalerie niederschlagen. Das Äthiopienprojekt wird sie noch eine Weile beschäftigen. Wofür wird sie das Preisgeld von 10 000 Euro einsetzen? Die Antwort kommt prompt: "Für weitere Reisen auf der steten Suche nach Trends weltweit. Was sonst!"

Architektur im Allgäu ; Architekturgalerie, Türkenstraße 30 , Montag bis Freitag 9 bis 19 Uhr, Samstag 9 bis 18 Uhr, bis 17. November.

© SZ vom 14.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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