Archäologie:Gut kämpfen, gut aussehen

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Ein Warlord mit Stil: Goldkette des Kriegers von Pylos, um 1500 v.Chr. (Foto: Reuters)

Älter als der alte Nestor - und vor allem reicher: Im griechischen Pylos ist das Prachtgrab eines Kriegers entdeckt worden.

Von Johan Schloemann

Nestor hat überlebt. Bis heute nennen wir so den Altmeister einer Disziplin. In der "Ilias" von Homer steht der weise, rüstige Nestor, der Herrscher von Pylos, für die Vorgängergeneration: zehn Jahre gegen Troja Krieg führen, das ist ja schön und gut, aber Nestor hat früher gegen die Kentauren gekämpft und war schon beim Argonautenzug auf der Suche nach dem Goldenen Vlies dabei. Beim Kampf um Troja arbeitet er daher als senior consultant.

Pylos liegt in Messenien, auf dem griechischen Festland, am westlichsten der drei "Finger", die aus der südlichen Peloponnes herausragen. 1939 fand dort der amerikanische Archäologe Carl Blegen eine mykenische Residenz und nannte sie nach dem legendären König "Palast des Nestor". Doch jetzt wurde gleich nebenan ein neuer Fund ausgegraben, der den alten Nestor geradezu jung aussehen lässt: das Grab eines Kriegers, ausgestattet mit einem Bronzeschwert und reichem Goldschmuck von der Insel Kreta.

Der so prächtig bestattete Mann lebte nämlich schon Jahrhunderte vor dem Ausbau des nahen Palastes von Pylos, nach erster Datierung zwischen 1600 und 1400 vor Christus. "Er muss ein wichtiger oder der wichtigste örtliche Aristokrat seiner Zeit gewesen sein, ein Krieger und vielleicht auch ein Priester", sagte der Chef des beteiligten Archäologenteams, Jack L. Davis von der University of Cincinnati, der Süddeutschen Zeitung. In der Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends, als die nach der Burg Mykene benannte frühe griechische Palastkultur entstand, gab es dorthin einen intensiven Kulturtransfer aus Kreta. Dort stand der Palast von Knossos, der nach dem ebenfalls legendären Herrscher Minos "minoisch" heißt. Das wusste man schon aus anderen Funden, nicht zuletzt aus den in Pylos entdeckten Tontafeln mit der Silbenschrift "Linear B" nach kretischem Vorbild, die 1952 entziffert wurde. Doch die Beigaben im minoischen Stil, die der jetzt gefundene Warlord von Pylos mit in sein Grab nahm - Ketten, Siegelringe, Becher aus Gold und Bronze - zeigen in besonderer Dichte, wie eng sich die Eliten damals an Kreta orientierten. Bis die Mykener daraus selber eine so bedeutende Hochkultur entwickelten, dass der Ruhm ihrer Krieger Jahrhunderte überdauerte und im achten Jahrhundert vor Christus dann von Homer besungen wurde. Nestor inklusive.

Im Grab des bronzezeitlichen Kriegers von Pylos fanden sich übrigens auch sechs Kämme aus Elfenbein. Aristokratie, das hieß eben von jeher: gut kämpfen und gut aussehen.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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