Amerikanische Literatur:Vom Stoizismus der Wellen

William Finnegan: Barbarentage. Aus dem Englischen von Tanja Handels. Suhrkamp, Berlin 2018. 566 Seiten, 18 Euro. (Foto: Verlag)

Von Jan Heidtmann

"Barbarentage" ist die perfekte Lektüre für jede Ferienlage: ein Abenteuerroman, die Geschichte einer endlosen Reise, ein Roadmovie durch den Pazifik und durch die Seelenlage eines Heranwachsenden. Aber eigentlich ist "Barbarentage" ein Liebesroman, der von der Amour fou des renommierten Kriegsreporters William Finnegan zu den Ozeanen handelt, genauer: zu den Wellen, die irgendwo in wilden Stürmen entstehen und nach Hunderten Kilometern an den Küsten mal gleichmäßig, mal wütend brechen. Finnegan ist elf Jahre alt, als er ihnen verfällt. Er lebt mit seinen Eltern auf Hawaii, in den frühen Sechzigern beginnt er mit dem Surfen. Ein Sport, den die Weißen den Hawaiianern nach der Kolonialisierung erst einmal ausgetrieben haben. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bauten sie dann eine ganze Industrie um ihn herum auf, die bis heute wächst. Finnegan ist von Anfang an dabei. Wie ein Getriebener reist er den Wellen nach, in die Südsee, nach Australien und nach Bali. Die Leidenschaft zu den Wellen hat ihn fest im Griff, es ist eine unfaire Liebe. Während er bereit ist, alles für sie aufzugeben, machen die Wellen, was sie immer machen: Stoisch branden sie an. Dafür schenken sie Finnegan ein unermessliches Gefühl von Freiheit.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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