Alterswerk:Hermann Nitschs große Freude

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(Foto: Nitsch Museum, VG Bild-Kunst, Bonn 2020)

Von Alexandra Föderl-Schmid

Mit der Auferstehung hat sich Hermann Nitsch in seinen Werken immer wieder auseinandergesetzt. Nicht nur in seinen Orgien-Mysterien-Theatern fungierte Nitsch als Hohepriester der Kunst. Der Aktionskünstler löste in seiner Heimat Österreich seit den Sechzigerjahren regelmäßig Skandale aus, verwendete er doch Blut für künstlerische Arbeiten und sorgte mit seiner Art der Auseinandersetzung mit religiösen Themen wie Kreuzigungen und der Verwendung von Priestergewändern häufig für Empörung. Die Farbe Rot begleitete ihn jahrzehntelang, sie wird mit Nitsch am stärksten assoziiert. Dann wandte er sich Gelb zu, der Farbe des Lichts und der Auferstehung. Vor seinem 82. Geburtstag, den er an diesem Samstag feiert, tauchte Nitsch in eine neue Schaffensphase ein, indem er sich nicht mehr auf eine Farbe konzentrierte, sondern sich in einen wahren Rausch steigerte. Die leuchtend opulenten Farben trägt er mit den Händen auf, und greift dabei tief in die Töpfe. Er nutzte die ganze Palette: knallige und pastellige Töne, intensive Farbcluster mit reliefartiger Haptik treffen auf eine transzendente Leichtigkeit. Man kann sein sinnliches Vergnügen dabei nachempfinden, sein Bestreben, Töne, Geschmacks- und Tastempfindungen auf die Leinwand zu bringen. "Die blumenfreudige Leuchtkraft der geschmierten Farbsubstanz macht mir große Freude", beschreibt der Künstler diesen Kreativitätsschub, der im vergangenen Sommer begann. Die bis April 2021 geöffnete Ausstellung in dem ihm gewidmeten Museum Mistelbach, rund 50 Kilometer von der österreichischen Hauptstadt Wien entfernt, heißt lapidar: "Hermann Nitsch - Neue Arbeiten." Man entdeckt tatsächlich in den 80 Werken einen neuen Nitsch, der sich von Pfingstrosen und anderen Blumen inspirieren ließ, wie er selbst sagt. Jener Mann, der keinem künstlerischen Konflikt aus dem Weg ging, überrascht mit floralen Farbsymphonien, die den Blick auf sein Gesamtwerk verändern. Nitsch, der sich auch als Komponist einen Namen gemacht hat, wird mit fortschreitendem Alter in seiner Kunst lebensbejahender und auch "leichter". Er bündelt das Licht der Farben und schafft so eine eigene Form der Auferstehung, die in coronaverdüsterten Zeiten optimistische Aufbruchstimmung vermittelt.

© SZ vom 29.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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