Priests - "The Seduction Of Kansas" (Sister Polygon Records)
Die Post-Punk-Band Priests um Sängerin Katie Alice Greer aus der amerikanischen Hauptstadt Washington ist in Teilen der Welt berühmt dafür, dass Bandmitglieder exakt in der Pizzeria arbeiteten, aus der Hillary Clinton laut der Alt-Right-"Pizzagate"-Verschwörungstheorie einen Kinderpornoring betrieben haben sollte. Viel erfreulicher ist ihr neues Album "The Seduction Of Kansas" (Sister Polygon Records). Wenige beherrschen so formvollendet die Kunst, einen Song so lässig dahinzurotzen, dass er sich wie eine warme Decke um den Zorn anfühlt, den man so mit sich herumschleppt.
Khalid - "Free Spirit" (Sony Music)
Ha! Endlich ein neuer Schwung Jung-Popstars mit ganz eigenem, Achtung: Generationen-Problem, an dem Kritiker herummäkeln können. Im Fall von Khalid zum Beispiel mit der Frage: Wie nur damit umgehen, wenn das Social-Media-Wir, in dem man berühmt geworden ist (und wie!), mit dem Popstar-Ich, das man inzwischen ist, kaum noch Berührungspunkte hat? Wenn die Karriere also darauf aufbaut, einen möglichst alltäglichen Teenager-Alltag mit all seinen Problemen zu posten - die Realität aber inzwischen die des zweitmeistgestreamten Künstlers der Welt ist? Als ob ein solcher Widerspruch heute größer wäre als vor 50 Jahren - und "Free Spirit" (Sony Music) deshalb so nichtssagend. Dabei laboriert das Album einfach nur an der vielleicht etwas epischen Ernsthaftigkeit ("I'm in pain/But I'm to blame"), die der Sänger sich verordnet. An den gravitätischen Klavieren und nachdenklichen Achtziger-Gitarren, die nicht genug Platz lassen für die oft schönen und manchmal sehr schönen Synthie-Ideen in den Refrains. Und für die so nonchalant-soulig gemurmelte Stimme, die ja immer etwas klingt, als würde er auch im größten Leid parallel noch den Insta-Feed checken. An sich sind die Kids aber in Ordnung. Wer das nicht glaubt, höre nur das gigantische neue Album von Billie Eilish.
Lena Johanna Therese Meyer-Landrut - "Only Love" (Polydor)
Die Frage bei Lena Johanna Therese Meyer-Landrut, geboren 1991 in Hannover, Model, Social-Media-Influencerin, Sängerin und für die nächsten drei-, vierhundert Pop-Ewigkeiten letzte deutsche Eurovision-Sog-Contest-Gewinnerin, war ja seit ihrem Sieg bei der Pop-Europameisterschaft 2012: Wird sie für immer die deutsche Popsängerin bleiben, die mit leidlich flachem Stimmchen und deutschem Gymnasiumsenglisch eine echte Popsängerin imitiert? Bei jedem neuen Album lautete die Antwort wieder: ja. Jetzt erscheint mit "Only Love, L" (Polydor) ihre zweifellos musikalisch ambitionierteste Platte, inklusive britischem Gast-Rapper. Sie klingt, wie eine sehr ordentliche zeitgenössische Mainstream-R'n'B-Platte gerade so klingt, also ein bisschen eklektisch angestolpert und verweht, im Ganzen dann aber doch wieder genauso irre brav, wie man sich eine Sängerin mit großen Träumen aus der Popprovinz eben so vorstellt.