"7 Psychos" im Kino:Das Zen der Gewalt

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"7 Psychos" ist ein kleiner Film über das Töten. Im Bild Christopher Walken als Hans. (Foto: dpa)

Mit "7 Psychos" legt Martin McDonagh nach "Brügge sehen... und sterben?" seinen zweiten Kinofilm vor. In seinen Figuren, meist unbeherrschte und sehr unprofessionelle Psychopathen, entwirft der Autor auch zögerliche, sanfte, verständnisvolle Momente. Trotzdem wird in "7 Psychos" viel gestorben - meist blutig und eher sinnlos.

Von Fritz Göttler

Ein kleiner Film über das Töten, nicht gerade zimperlich, aber mit ein paar diskreten Gandhi-Schlenkern, kleinen Zonen der Gewaltverweigerung und -freiheit. Too bad, sagt zum Beispiel der makellos gewandete, freundliche, ein wenig müde Mann namens Hans zu dem Killer, der ihm mit seinem Gewehr im Anschlag gegenübertritt. Er solle die Hände hochnehmen, sagt der Killer, aber Hans weigert sich. Aber ich hab eine Waffe . . . Na und? . . . Das macht doch keinen Sinn . . . Too bad.

Christopher Walken ist Hans, der Mann mit dem freundlichen Lächeln und dem entschiedenen Nein auf den Lippen, und weil er genug undurchsichtige, unberechenbare, unerbittliche Typen in seiner langen Karriere verkörpert hat - an der Spitze jenen unheilbar süchtigen Spieler beim Todes-Roulette in Michael Ciminos "Deer Hunter" -, ist seine Weigerung, diesmal im Gewaltspiel mitzumachen, umso effektiver. Er trägt ein fürchterliches Geheimnis hinter seinem eleganten Ascotschal um den Hals verborgen und lebt von einer großen Liebe seines Lebens.

Es wird viel gestorben - meist ziemlich blutig

"Brügge sehen . . . und sterben?" hieß der erste Film von Martin McDonagh, 2008, über zwei Profikiller, die nach einem Job für ein paar Tage von ihrem Auftraggeber ruhig gestellt werden, und wie sie die erzwungenen toten Momente in der kleinen beschaulichen Stadt absolvieren. Auch in seinem zweitem Film "7 Psychos" - dessen Skript McDonagh bereits vor "Brügge" geschrieben hatte - wird viel gestorben, manchmal überraschend, meistens ziemlich blutig, immer eher sinnlos. McDonagh ist genial darin, wie er in seinen unbeherrschten und oft sehr unprofessionellen Psychopathen plötzlich zögerliche, sanfte, verständnisvolle Momente entdeckt. Existenzkrisen-Splitter. In die Wüste gehen seine tapferen Helden nicht zum Shootout, sondern um dort im Zelt zu übernachten, miteinander zu reden, zu meditieren, auch über die Rituale und Regeln des Genres. Auf dem Weg dorthin - in den Joshua Tree National Park und seine surrealistische Baumlandschaft - gibt es eine Totale, in der sieht man sie vorbeifahren an schicksalhaft kreisenden Windkrafträdern.

Von einer Schaffenskrise nimmt der Film seinen Ausgang, die Marty Faranan erlebt, ein junger Drehbuchautor in der beschaulichen Stadt Los Angeles, die mit ihrer morgendlichen Wolkenkratzer-Skyline angenehm frisch und kreativ wirkt. Dennoch kommt Marty mit seinem neuen Script nicht wirklich voran, der Titel: "Seven Psychopaths". Colin Farrell spielt ihn, der mit seinem frechen Kurzhaarschopf und seinen Kapuzenpullovern unglaublich fit und jugendlich ausschaut.

Natürlich hat er ein Trinkproblem. Und auch seine Freunde machen es ihm nicht unbedingt leicht, vor allem dann, wenn sie ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen wollen - der Schauspieler Billy (Sam Rockwell) und Hans. Die beiden schlagen sich durchs Leben, indem sie die Hunde verschrobener Reicher entführen, sie dann zurückbringen und Finderlohn kassieren. Versehentlich erwischen sie eines Tages das Hündchen des sentimentalen Kleingangsters Charlie (Woody Harrelson), von da an wird die Geschichte blutig. Blutig und sehr produktiv, was die Ideen fürs Script angeht.

Von einer ganz anderen Action träumt nun der schreibblockierte Marty, von einem buddhistischen Thriller, in dem es um Liebe und Versöhnung und Findung einer Identität geht. Die Materialsammlung, die die Freunde hierfür erstellen, ist ganz beachtlich: ein Killer, der Mafialeute umbringt, ein Quaker-Killer, ein Killer mit Karnickel, das ist Tom Waits, zu dessen Opfern dann immerhin der berüchtigte Zodiac-Killer gehört. Irgendwann kommt natürlich die sorgsame Nummerierung völlig durcheinander.

McDonagh, der mit seinen Theaterstücken unheimlich erfolgreich ist, nutzt ganz schamlos die Freiheiten, die das Kino ihm bietet. Sein Film ist absolut synthetisch, das heißt, er fängt früh an, sich selbst auseinanderzunehmen und immer wieder neu zusammenzusetzen. Die Psychosen, hat Freud angedeutet, zielen darauf ab, die defizitäre Realität auf neue, befriedigende Art aufzubauen. Anders als Quentin Tarantino, dem inzwischen nur noch die eigene Brillanz am Herzen liegt, liebt Martin McDonagh seine Figuren. Sie haben alle einen doppelten Rand. Bei aller Dumpf- und Grobheit, zu der die Genre-Konstellation sie zwingt, sind sie im Grunde durchaus helle und haben lichte Momente. Selbst Charlie weiß, dass man mit einem brutalen Satz stärker verletzen kann als mit dem größten Kaliber: So the Polack married a nigger . . . Wie schnell die Frauen aus dem Leben der Männer verschwinden und wie sinnlos das manchmal geschieht, das macht vielleicht das Geheimnis dieses Films aus, seiner Männer und der Phantasien, die sie sich zusammenbasteln.

In Martin McDonagh, dem irischen Starautor in London und den USA, hat sich ein starker Punk-Widerstandsgeist erhalten. Als die Produktionsgesellschaft CBS ihm nahelegte, in seinen "Seven Psychopaths" doch bitte am Ende das Hündchen zu verschonen - Regel Nr. 1 in Hollywood: Man knallt keinen Hund ab! -, hat er ernsthaft überlegt, deshalb das Projekt hinzuschmeißen. Der Shih Tzu ist das Zentrum dieses Films. Die Zenseite der Gewalt, des Todes.

Seven Psychopaths , USA/GB 2012 - Regie, Buch: Martin McDonagh. Kamera: Ben Davis. Musik: Carter Burwell. Schnitt: Lisa Gunning. Mit: Colin Farrell, Sam Rockwell, Christopher Walken, Woody Harrelson, Abbie Cornish, Tom Waits, Olga Kurylenko, Gabourey Sidibe, Michael Pitt, Michael Stulbargh, Harry Dean Stanton. DCM, 109 Minuten.

© SZ vom 07.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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