Spurensuche:Schach

Lesezeit: 2 min

Die Welt verändert sich ständig, die großen Fragen aber bleiben. Wir suchen in Filmen, Büchern und anderen Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven: Das Leben ist ein Schachspiel, bei Ingmar Bergman in aber ist es eine Hängepartie.

Von Fritz Göttler

Die Welt verändert sich ständig, die großen Fragen aber bleiben. Wir suchen in Zeitgeschehen und Kunst nach wiederkehrenden Motiven. Das Leben ist ein Schachspiel bei Ingmar Bergman, aber: eine Hängepartie.

Das trifft sich gut, sagt die eine der beiden Figuren, die sich eben für eine Partie vor das Schachbrett gekauert haben, am Meeresstrand. Er musste die Farbe wählen, mit der er spielen wird, und es ist Schwarz. Schwarz ist auch der Umhang, den er trägt und die Haube, die nur sein weißes Gesicht sehen lässt. Jeder erkennt ihn auf den ersten Blick, es ist der Tod.

Das Schachspiel in Ingmar Bergmans Film "Das siebente Siegel", 1957, ist wohl die berühmteste Partie der Welt. Der Ritter Antonius Block kommt vom Kreuzzug, er nestelt in seinem Bündel, und hat das Schachbrett schon neben sich aufgestellt. Die Heimat hat er zurück, aber nicht den Sinn seines Lebens. Bis er den gefunden hat, will er Aufschub vom Tod. Der Tod lässt nicht mit sich handeln, aber zu einer Partie Schach ist er bereit. Ich bin tatsächlich kein schlechter Spieler, sagt er mit nachsichtiger Überlegenheit. Solange die Partie läuft, darf der Ritter am Leben bleiben, und falls er den Tod matt setzt, kommt er endgültig frei. Natürlich haben beide - wie alle Weltmeister - ein paar miese Tricks parat, um die Aufmerksamkeit des Gegners zu stören. Kümmere dich nicht um mein Lachen, sagt der Tod, pass auf deinen König auf.

Bei der Schachweltmeisterschaft in London zwischen Weltmeister Magnus Carlsen und dem Herausforderer Fabiano Caruana, die eben zu Ende ging, hatten Kommentatoren und Fans gestöhnt, dass Partie nach Partie mit einem Remis endete. Eine Unentschiedenheit, die aber doch eher das Wesen des Schachs ausmacht als die knallharte Entscheidung, die sagenhafte Kombination, der dynamische Durchmarsch, der böse Blitzkrieg auf dem Schachbrett. (Haben wir nicht alle ehrfürchtig fasziniert in der Jugend die famose "Unsterbliche" nachgespielt, zwischen Anderssen und Kieseritzky?) Bei Bergman lernen wir, dass Schach und auch das Leben eine Hängepartie sind.

Die einzelnen Züge des Ritters und des Todes wurden natürlich von den Fachleuten subtil analysiert, und die strengsten unter ihnen haben moniert, dass die beiden gemäß dem Modus spielen, wie die Schachfiguren heute bewegt werden dürfen, nicht nach dem des Mittelalters, als beispielsweise die Läufer oder auch die Dame nur jeweils ein paar Felder ziehen durften. Den Mythos der strengen Regelhaftigkeit aber weicht Bergman von Anfang an auf, das Brett mit seinen statuarischen Figuren wird, in einer Überblendung, überspült von den ewigen Wellen des Meeres.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken
OK