Saxofonistin:Aufstehen und zu Kreuze kriechen

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Als Frau mit Saxofon war Carolyn Breuer anfangs "ein Unikum". Heute muss sie sich anders absetzen. (Foto: Jan Scheffner)

Carolyn Breuer über Freud und Leid ihrer 35-jährigen Jazz-Karriere

Interview Von Oliver Hochkeppel, München

"Celebrating 35 Years of Jazz" steht über den fünf Tagen, mit denen die Münchner Saxofonistin Carolyn Breuer die traditionellen "Summer Jazz Weeks" in der Unterfahrt eröffnet, drei Tage lang mit ihrem neuen Quartett, die letzten zwei mit einer um Gäste und das Streichquartett Eidos erweiterten Band. Die ersten 15 dieser 35 Jahre hat die Tochter des Pianisten und Posaunisten Hermann Breuer zum Studium und Karrierestart in Amsterdam verbracht, den Rest in der Münchner Szene.

SZ: Haben Sie erreicht, was Sie sich zu Beginn der Karriere vorgenommen haben?

Carolyn Breuer: Ich hatte anfangs eine Zahl im Kopf. Mit zwölf hatte ich mit dem Saxofon angefangen, mit 15, als ich die ersten Gigs spielte, entschied ich mich, Musikerin zu werden und dachte mir: Mit 26 kannst du spielen. Ich weiß nicht, warum. Witzigerweise war das dann auch so. Mit 26 hatte ich das Gefühl, meine Stimme, das, was ich zu sagen habe, das hat sich jetzt etabliert. Ich wollte nur auf dem Niveau Musik machen, auf dem ich meine Gefühle aufs Instrument übertragen kann. Was das betrifft, also musikalisch, ist es also schon aufgegangen, denke ich.

Sie sind ja eine Kreative, die ihre eigene Musik schreibt und spielt ...

... das war von Anfang an klar, nicht in Orchester oder Bigbands zu gehen.

Aber ab und zu spielen Sie doch auch in Bigbands?

Ja, aber das ist dann eine Dienstleistung, das bin nicht ich.

Sind in diesen 35 Jahren Ihrer Karriere die Bedingungen, sein Ding zu machen, leichter oder schwerer geworden?

Ich sei von Natur aus ein pessimistischer Mensch, sagen viele. Ich nenne es Realismus. Ich hatte schon mit 19 ein schlimmes Bild von der Zukunft des Jazz. Schon damals habe ich mich auf dem Konservatorium mit dem Direktor angelegt: Wie könnt ihr so viele Menschen ausbilden, wo ihr gar nicht wisst, wo wir mal spielen sollen. Ihr macht das doch nur, damit ihr eure Position habt. Am nächsten Tag wollten sie mich von der Schule schmeißen. Dann bin ich zu Kreuze gekrochen und durfte mein Studium beenden. So lief das damals schon. Dabei hab' ich nur die Wahrheit gesagt. Ich hatte ein negatives Bild, obwohl es bei mir persönlich gut lief. Ich hatte ja einen Wahnsinnsstart und viele Möglichkeiten.

Und jetzt?

Das Business ist noch viel schlimmer geworden, als ich es mir vorgestellt habe. Ziemlich traurig.

Wie hat es sich denn verändert?

Damals war der Jazz noch nicht durchkommerzialisiert, sondern Underground. Das war mir ganz wichtig, ich wollte etwas machen, was nicht Mainstream ist. Dadurch, dass ich das Saxofon hatte und ein Mädchen war, war ich schon mal was anderes, ein Unikum, ein Exot. Ich wollte mich absetzen von den anderen Mädels. Heute wäre das so nicht mehr möglich: Saxofon und Frau - gähn. Als ich zu studieren begann, gab es dafür in Deutschland nur Köln. Alles war anders. Man reiste den Bands nach, hat sich alle angeschaut. Heute checken alle alles nur noch auf Youtube aus. Und Jazz zu machen, das lief damals so, dass du im Jazzpodium hinten die Clubadressen rausgesucht hast und die Typen vom jeweiligen Jazzverein angerufen hast. Schon in den Telefongesprächen hat sich oft etwas aufgebaut. Man hatte einfach einen persönlichen Zugang zu den Leuten, den Veranstaltern und Festivals. Heute schickst du Wahnsinns-Emails los, bunt, animiert, mit Fotos, Filmen, Texten, aufwendiger Grafik - und die antworten dir nicht mal. Triffst du dann irgendwo die Typen, denen du das schon hundert Mal gemailt hast, sagen sie: "Pass auf, Carolyn, das ist überhaupt nicht persönlich gemeint, aber ich krieg' 2000 Mails am Tag, was soll ich denn machen." Ich kann niemandem böse sein. Die Situation ist nicht nur für die Musiker, sondern auch für alle drumherum beschissen.

Sie kommen aber trotzdem durch?

Zum Glück habe ich mir etwas aufgebaut in den 35 Jahren. Ein Publikum und Veranstalter, die mich sehr schätzen. Weil ich, glaube ich, noch nie wirklich Mist abgeliefert habe. Aber lustig: Als ich mit 15 die ersten, mit 100 Mark für mich super bezahlten Gigs spielte und jubelnd nach Hause kam, hatte ein Kollege meinem Vater aufgetragen: "Sag deiner Tochter, das wird so bleiben, die hat jetzt alles erreicht." Damals hab' ich gelacht. Aber im Prinzip stimmt es. Die Zahl der Konzerte von damals würde ich heute nie mehr erreichen und eine CD-Produktion spielt nicht einmal mehr die Kosten rein, nicht wie damals, als der Roger Willems mich entdeckt und sich meine CD 5000 Mal verkauft hat.

Hat Ihr Vater Sie seinerzeit bestärkt, Musikerin zu werden?

Nein, er hat sogar versucht, das zu verhindern. Was ich jetzt auch bei meinem Sohn ein bisschen probiere.

Carolyn Breuer , Di. bis Sa., 23. bis 27. Juli, 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstr. 42, t 448 27 94

© SZ vom 22.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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