Konzert von Hans Söllner:Er traut sich immer noch

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Der Liedermacher Hans Söllner singt auch mit 52 Jahren gegen Missstände in der Gesellschaft an und wirbt für die friedliche Rebellion. Er trifft damit einen bayerischen Nerv.

Thomas Hummel

Der Söllner Hans hat eine Idee mitgebracht. Eine Idee, die so zu ihm passt, dass er seinen Stolz darauf nicht verbergen kann und die das inzwischen 52-jährige Antlitz in ein grinsenden Lausbubengesicht verwandelt.

(Foto: Foto: oH)

"Geht's naus, suacht's eich a Polizeiauto und fahrts eahna nach", ruft er. "Fahrts eahna nach, damits amoi spürn, wia des is, wenn's wieder amoi im Rückspiegel auftaucha und man si' fragt: Werd I jetz scho wieder verfoigt oder is des der normale Verkehr?"

Dafür sind die Menschen ins ausverkaufte Musikzelt auf dem Münchner Tollwood-Festival gekommen: Um mal wieder eine Ahnung zu bekommen, was Rebellion bedeuten kann. Denn wo gibt es das heute noch, dass einer die Legalisierung von Hanf fordert, weil das die Welt retten würde? Dass einer zum Ungehorsam aufruft und über die Lehrer schimpft, die die Kinder nicht mögen?

Sich selbst treu geblieben

Der Liedermacher Hans Söllner aus Bad Reichenhall ist sich mit 52 Jahren noch immer selbst treu. Er ist immer noch der "bayerische Rebell", der mit Akustikgitarre und Mundharmonika gegen Missstände in der Gesellschaft ansingt, gegen das Träge und Feige, gegen das Wegschauen.

Die 20 Jahre seit seinem aufsehenerregenden Album "Hey Staat" hat er allerdings dazu genutzt, sich musikalisch erheblich zu verbessern. Während er früher die Gitarre nur als Hilfsmittel ansah, um seine Gedichte publikumswirksam vorzutragen, wackeln nun bei manch einem Reggae-Riff, den er zusammen mit seiner Band Bayaman 'Sissdem spielt, die Hüften der Zuschauer.

Doch das Hüftwackeln ist bei einem Hans-Söllner-Konzert nur schöne Randerscheinung. Im Zentrum steht die Botschaft. "Jeder woaß, was a is!" ruft Söllner seinen Anhängern zu. Keiner muss sich verstecken, keiner muss unterwürfig sein. Nicht vor der Polizei, die zum vierten Mal vorbeifährt, obwohl der Albaner von zwei Glatzköpfen zu Brei geschlagen wurde. Um stattdessen zum Söllner Hans zu fahren, auf der Suche nach Marihuana-Bäumen. Und nicht vor seinen zweiten Lieblingsfeinden, den Politikern, die nur für sich ihre Taschen Politik machen.

Hans Söllner schiebt dabei seine Brust nach vorn, die Hände in die Hüften gestemmt. Mit seinen wilden Rastazöpfen, seinem markanten Kinn, den etwas tief liegenden Augen und den inzwischen furchenartigen Lachfalten gleicht er im diffusen Zeltlicht einem Apachen-Häupting. Und trifft auch mit seinem Aussehen einen bayerischen Nerv: Schon immer wurden die Aufmüpfigen, die Mutigen bewundert, die sich "was trauen" und "sich nix scheißn" vor der Obrigkeit. Wie der Räuber Kneißl oder der Hias aus dem Bayerischen Wald. Weil der Bayer sich selbst gerne so sieht, als Indianer eben, der es denen da oben (meistens den Preußen) gerne zeigen würde. Sich selbst aber eben nicht traut und am nächsten Morgen wieder brav ins Büro geht und für ein gutes Bruttosozialprodukt schuftet.

An diesem Abend überschreitet Hans Söllner die Grenzen des verbalen Angriffs nicht so weit, dass er mit weiteren Klagen rechnen müsste, die ihn schon so viel Geld gekostet haben. Diesmal konzentriert er sich auf sein Publikum. "Kann i eich auße lassn? Muaß i mir koane Sorgen machen?" fragt er. Und die Menge jubelt. Du kannst dich auf uns verlassen! Wir werden ungehorsam sein!

Und siehe an: Der eine oder andere zündet sich in diesem Moment frech eine Zigarette an. Dabei wurde vor dem Konzert ausdrücklich auf das Rauchverbot im Saal hingewiesen.

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