Kino:Kleine Wagnisse, großes Staunen

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Im Länderschwerpunkt widmet sich das diesjährige Festival Japan, hier eine Szene aus Yoshiki Imazus flauschiger Animation "Flufffiction". Filmstill: Kurzfilmtage Regensburg (Foto: N/A)

Seit 25 Jahren zeigt die Kurzfilmwoche Regensburg experimentelle Arbeiten aus aller Welt

Von Udo Watter, Regensburg

Im Spannungsfeld zwischen Kunst und Kommerz ziehen Langfilme gegenüber Kurzfilmen oft den Kürzeren. Die sinnliche oder intellektuelle Überforderung des Zuschauers zu riskieren, erzählerische und visuelle Grenzen auszureizen - das läge vielleicht noch im Sinne manches Großregisseurs, aber Produzenten setzen oft andere Prioritäten. Ein Kurzfilm hingegen muss nicht auf das Popcorn-Publikum schielen, noch intervenieren Männer mit Dollarzeichen in den Augen. Ein kleines Budget fördert die Lust am Experimentellen, die Kunst, ungewöhnlichere Wege zu beschreiten. "Ich stehe auf Experimentalfilme", sagt Insa Wiese, die künstlerische Leiterin der Kurzfilmwoche Regensburg. "Da hast du diese Freiheit. Bei Kurzfilmen kannst du mehr wagen, weil du nicht so abhängig vom Produzenten bist."

Mit ihren Kollegen vom Arbeitskreis Film Regensburg hat sie für das Festival, das von diesem Mittwoch an zum 25. Mal stattfindet, eine Auswahl aus mehr als 2000 Einreichungen getroffen: 119 aktuelle Produktionen werden bei der Jubiläumsausgabe gezeigt, verteilt auf fünf Wettbewerbe. Daneben finden knapp 200 weitere Werke ihren Weg auf Regensburger Leinwände und Häuserfassaden - unter dem Motto "A Wall is a Screen" wandert ein mit mobiler Projektionstechnik arbeitendes Künstlerteam durch die Stadt und zeigt Kurzfilme an ungewöhnlichen Orten. Zudem gibt es Workshops, Ausstellungen, Vorträge, Konzerte, Karaoke-Shows, die beliebte Zündfunkparty im Leeren Beutel.

Die Regensburger Veranstaltung ist seit ihrer ersten Austragung 1994 im Lauf eines Vierteljahrhunderts aus kleinen Anfängen zu einem der wichtigsten Kurzfilmfestivals Deutschlands und zu einem Treffpunkt der europäischen Szene avanciert. Bis zu 8000 Zuschauer besuchen sie jedes Jahr im März. Im internationalen Wettbewerb konkurrieren heuer 48 Beiträge miteinander. Es ist eine in Thematik, Genre und Form breite "Auswahl der überzeugendsten Kurzfilmproduktionen der letzten zwei Jahre weltweit", wie die Veranstalter versprechen. Von Werken, die konventionellen narrativen Ideen folgen über solche mit ungewöhnlicher Erzählweise, Dokus, Animationen. Neben dem deutschen Wettbewerb gibt es ein Bayern- und ein Regionalfenster: Filme aus der Oberpfalz, die nicht zuletzt den Charme des Unperfekten mit Humor zu kombinieren suchen. Eine Besonderheit ist das Architekturfenster: architekturbezogene Kurzfilme.

Im Schwerpunktthema "Selbstoptimierung" sind Filme zu sehen, die einen Blick auf den aktuellen Optimierungswahn werfen. Im Länderschwerpunkt widmet sich die Internationale Kurzfilmwoche Japan, einem Land mit besonderer Filmkultur, das etwa die weltweit größte Trickfilmindustrie hat. Bekannt sind Künstler aus Nippon auch für ihre Lust am Extremen, Fantastischen und Perversen. Dem wird im Programmpunkt "Midnight Movies" Rechnung getragen. Zudem sind aktuelle und historische Werke im Fokus. "Es ist aber schwierig, an alte Filme ranzukommen" sagt Wiese. "Japan hat eine der niedrigsten Erhaltungsquoten von Filmkopien." Mit Makino Takashi wird ein Experimentalfilmer das Festival beehren, dessen spacige Video- und Soundarbeiten international angesagt sind. Auch die japanische Tradition der Benshi-Verehrung wird in den Formaten "Poetry in Motion" und "Plattenfilme" aufgegriffen. Der Benshi ist ein filmbegleitender Erzähler, der mit dem Stummfilm aufkam, sich aber bis weit in die Dreißigerjahre hielt. Als theatralischer Könner war er oft beliebter als Filmstars, auch Akira Kurosawas Bruder Heigo war Benshi.

Für Wiese und ihr Team ist das Festival ein immenser Aufwand. Trotz Unterstützung durch die Stadt, den BR und den FFF Bayern ist der Etat mit etwa 150 000 Euro relativ gering - andere namhafte Kurzfilmfestivals wie in Hamburg oder Oberhausen haben ein deutlich größeres Budget. "Es ist ein ewiger Kampf um Sponsoren." Als die 40-Jährige vor zehn Jahren anfing, hatte sie das Gefühl, "ein untergehendes Schiff gerade so am Leben zu halten". Das sei jetzt nicht mehr so, aber "dreimal im Jahr denke ich schon noch ans Aufhören", sagt Insa Wiese schmunzelnd. Dass sie es nicht tut, hat einen guten Grund: "Ich liebe meine Arbeit. Ich liebe es, Kunst mit der Kunst anderer Leute zu machen."

25. Kurzfilmwoche Regensburg , Mittwoch, 13., bis Sonntag, 24. März, www.kurzfilmwoche.de

© SZ vom 13.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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