Venezuela:Wenn der Staatsstreich goutiert wird

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SZ-Leser sehen die Unterstützung des proklamierten Präsidenten Juan Guaidó durch westliche Politiker als sehr kritisch an. Schließlich ist Nicolás Maduro der gewählte Präsident. Die Rolle der Großmächte wird hinterfragt.

SZ-Zeichnung: Fares Garabet (Foto: Fares Garabet)

Zu "Unsicherheitsrat" vom 1. März, "An der Bruchlinie" vom 26. Februar und zu "Im Moment haben wir zwei Präsidenten" vom 12. Februar:

Venezuela soll es selbst regeln

Der Sicherheitsrat der Uno ist ein Papiertiger. Die Uno krankt wie viele internationale Institutionen daran, dass dort die Siegermächte vom Zweiten Weltkrieg ihren Einfluss verteidigen, obwohl dies den aktuellen geopolitischen, wirtschaftlichen und demografischen Realitäten nicht mehr entspricht. Und wenn internationale Institutionen zunehmend ausgehöhlt und ignoriert werden, eben weil sich viele nicht richtig repräsentiert sehen, dann bleibt nur noch eins: die nationale Souveränität. Die nationale Souveränität und das klassische Völkerrecht, das es auch schon vor der Uno gab, ist dann das Sicherheitsnetz, das Last Resort, was den Umgang von Staaten untereinander betrifft.

Nichteinmischung ist das Gebot der Stunde. Ich wüsste nicht einen Fall in den letzten drei Jahrzehnten, bei dem die Dinge durch eine äußere internationale Einmischung nachhaltig zum Besseren gewendet wurden. In den meisten Fällen kam es zu dauerhaften Militäreinsätzen und zeitlich unbegrenzten, ständig andauernden zivilen Unterstützungsaktionen.

Venezuelas Präsident Maduro ist nur einer von vielen Präsidenten, die autoritär regieren und sich und ihren Leuten die Taschen füllen. Unter seinen Vorgängern wie zum Beispiel Chávez, Pérez, Caldera oder auch Lusinchi war es nicht wesentlich anders. Auch da gab es gewaltsame Auseinandersetzungen und Korruption. Die USA und Europa haben auch früher bei Venezuela mal zugeschaut, mal weggeschaut oder sich mal eingemischt, je nach politischer Affinität. Insofern, Finger weg von Venezuela. Lassen wir die Venezolaner die Dinge selbst regeln.

Dr. Anton Weber, Regensburg

Inszenierter Regimewechsel

Wir erleben hier den inszenierten Regime Change auf Betreiben der USA. Das ist so durchsichtig, dass alle anderen Erläuterungsversuche geradezu peinlich und lächerlich wirken. Ist es nicht zynisch, wenn massive rechtswidrige Wirtschaftssanktionen ein Land in eine schwierige Lage bringen und man - anstelle die Sanktionen aufzuheben, "Hilfslieferungen" für die Not leidende Bevölkerung organisiert? In Venezuela wird nicht etwa flächendeckend "gehungert". Gerade kam Besuch von dort. Durchaus wohlgenährt. Eltern besuchten unsere venezolanische Freundin. Alle sind amüsiert bis entsetzt über die grotesk einseitige Berichterstattung. Natürlich trägt Maduro einen guten Teil Mitschuld. Er ist nicht sympathisch. Aber eine derart unverfrorene Einmischung rechtfertigt das nicht. Im demokratischen Spanien wäre Guaidó längst wegen Rebellion verhaftet und angeklagt.

Wolf Beck, Teutschenthal

Benutzte Humanisten

"Man braucht sich nichts vorzumachen, das Interesse an Venezuela hat weniger mit humanitären Erwägungen zu tun ...", schreibt Autor Schoepp in einem Kommentar. Unverhüllt wird bekannt, dass es nicht darum geht, was immer am Beginn steht, wenn ein Land, eine missliebige, nicht gehorsame Regierung weggeputscht werden muss, Tränen über Leid des Volkes vergossen werden bis zur Installierung irgendwelcher Marionetten, die Volksheld spielen dürfen bis zum Erbitten militärischer Hilfe. Es wird offen ausgesprochen mit der Sicherheit, viele Millionen humanistisch denkende Menschen vor den Karren zu spannen zu können. Wird es in Venezuela wieder funktionieren, wie Ergebnisse dieser Art "humanitärer" Hilfe weltweit reichlich sichtbar sind? Sicher dürfen wir sein, es wird seine Grenzen erreichen, es wird auf die militanten Mächtigen der Welt zurückfallen, wie es das Flüchtlings- und Terrorthema an sich zeigt und andeutet. Auch Bevölkerungen, emotionalisierte Millionen Menschen, moralisch disziplinierte und benutzte Millionen, haben sich immer wieder missbrauchen lassen, haben den Wahn imperialer Mächte nicht erkannt, sind immer wieder der Täuschung erlegen durch den Missbrauch ihrer ehrlichen menschlichen Gefühle. Es wird dies weiterhin geben, aber nicht alle werden auf ewig darauf hereinfallen. Die Macht ihrer Gegenwehr gewaltig werden.

Roland Winkler, Aue

Anerkannte Wahlen

Der Völkerrechtler Héctor Faúndez Ledesma bietet in "Im Moment haben wir zwei Präsidenten" eine eigenwillige Auslegung des Völkerrechts. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags kam zu anderen und in meinen Augen überzeugenderen Einsichten. Zur Wahl Maduros: Der Oppositionskandidat bekam etwa 21 Prozent, Maduro eine große Mehrheit. Internationale Wahlbeobachter, auch des Bundestags, haben die Wahl formal als korrekt eingestuft bis auf drei Abgeordnete der konservativen Opposition. Und, alte Regel in der Demokratie: Wer nicht antritt, kann sich hinterher nicht beschweren. In Artikel 233 sind "zwingende Hinderungsgründe bezüglich der Amtsausübung des Präsidenten" aufgeführt. Keiner davon ist gegeben. Guaidós Proklamation ist auch deshalb offensichtlich verfassungswidrig.

Zur Legitimität des Parlaments: Das Oberste Verfassungsgericht Venezuelas hat die Wiederholung der Wahl von drei Abgeordneten wegen Unregelmäßigkeiten angeordnet. Die Parlamentsmehrheit ignoriert seither die Verfassung! Im Grunde stellt Herr Faúndez ja in dem Interview selbst fest, dass die Macht in den Händen von Maduro ist. Also ist die Unterstützung des selbsternannten Guaidó nach dem Völkerrecht ein illegaler Eingriff in die Souveränität eines Landes, wie es auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags feststellt.

Alfred Hartmann, München

Gefahr des Bürgerkriegs

Wenn irgendjemand sich selbst zum (Gegen-)Präsidenten erklärt, dann ist das ein Staatsstreich. Ich will ja gern glauben, dass Herr Guaidó einen großen Plan hat, wie er Venezuela aus der Krise führen will. Wie er aber zum "rechtmäßigen" Interimspräsidenten (Angela Merkel) erhöht werden konnte, ist objektiv mehr als bedenklich. Es ist eine gefährlich politische "Praxis" der westlichen Demokratien - wenn es um Diktatoren oder Autokraten geht, die sicher zu Recht kritisiert wurden -, dass Gegenbewegungen umgehend, oft massiv zu unterstützt wurden. Afghanistan, Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien ... Nur führte das in diesen Ländern zu jahrelangen, blutigen Bürgerkriegen, oft zur Zerstörung jeder staatlichen Ordnung, zu Hunderttausenden von Toten, Flüchtlingsbewegungen, zerstörten Städten. Wer derart "Partei" ergreift, kann nicht vermitteln, vielmehr verschärft er den Konflikt. Die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkrieges wird somit immer größer. Ich befürchte, dass das auch für Venezuela gelten wird.

Wieland Becker, Berlin

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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