US-Kongress:Frau - und noch viel mehr 

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In der Berichterstattung über die US-Kongresswahlen wurde immer wieder betont, wie viele Frauen nun neu ins Repräsentantenhaus einziehen würden. Eine Leserin stört die Reduktion dieser Politikerinnen auf ihr weibliches Geschlecht.

" Trumps weibliche Truppen" und " Männer, macht mal Platz" vom 10./11. November:

An ihrer reinen Anzahl kann es nicht liegen, dass quer durch die Medienlandschaft Frauen als die "Gewinner" der US-Kongresswahl gekürt werden. Denn betrachtet man die Zahlen, ist ihr Anteil im Kongress von eher beschämenden 25 Prozent im aktuellen Kongress auf voraussichtlich knapp 30 Prozent unter den neu gewählten Abgeordneten gestiegen. Das ist zwar eine deutliche Steigerung, aber immer noch ein erschreckend geringer Anteil, und daher eher ein kleiner Schritt in Richtung Selbstverständlichkeit als ein großer Gewinn. Neu scheint dann auch eher die Vielfalt der Lebenshintergründe zu sein, mit der diese Frauen in das Parlament ziehen. Erstaunlicherweise scheint hier von Frauen immer noch erwartet zu werden, dass ihre politische Arbeit in erster Linie von ihrer Rolle als Frau geprägt ist. Der Satz "Wie und wo sie gewählt wurden, wird dann für ihre politische Arbeit mindestens so wichtig sein wie ihr Geschlecht", erscheint in Bezug auf Männer gedacht als eine Plattitüde.

Nicht neu ist auch der Vorwurf der politischen Unerfahrenheit, wenn neue Gruppen in die Parlamente einziehen. Das war so, als die ersten Arbeiter gewählt wurden, die ersten Frauen, die ersten Schwarzen etc. Ein Joseph Crowley mag ein politisches Schwergewicht mit viel Erfahrung sein, die dem Parlament nun nicht mehr zur Verfügung steht. Aber auch er musste einst die Chance bekommen, sich diese Erfahrung zu erarbeiten.

Wenn die Gesellschaft in ihrer Vielfalt im Parlament besser vertreten sein soll, muss man auch einer Alexandria Ocasio-Cortez diese Chance zugestehen. In diesem Sinne finde ich den eher skeptischen Unterton des Artikels "Männer, macht mal Platz" nicht angemessen.

Ortrun Bühling, Heidelberg

Reaktionär, nicht konservativ

Um die politische Orientierung der US-Regierung und der Republikaner einzuordnen, wird zaghaft das Adjektiv "konservativ" benutzt. SZ-Artikel machen aber deutlich, dass hier leider nichts Erreichtes "bewahrt" werden soll. Die Politik als "konservativ" zu bezeichnen, ist eine irreführende Beschönigung. Lüge, Hetze, Ignoranz und Aggression jedenfalls sind nichts Konservatives. Ich fürchte, die öffentliche Debatte kommt nicht darum herum, für die Trump'sche Art und Richtung von Politik den Begriff "reaktionär" zu gebrauchen, denn das Rad soll in vielerlei Hinsicht zurückgedreht werden. Bis wohin, weiß ich noch nicht recht; vor 1918? Vor 1865? Noch weiter?

Michael Kootz, Kassel

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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