Thema der Woche:Was war das denn für ein Sommer?

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Wohin nur mit dem Kopf bei diesen Aussichten? Unters T-Shirt statt in den Sand? Es gibt Hoffnung, sagt Professor Stefan Rahmstorf. (Foto: Tatjana Schlör)

Der heißeste seit Jahrtausenden. Ein Gespräch mit Klimaforscher Stefan Rahmstorf über Apfelbäume, Fieber und Mut.

Interview von Nina Himmer

SZ: Waren Sie beim globalen Klimastreik?

Stefan Rahmstorf : Natürlich, ich laufe oft mit schwenkender Fahne mit und habe dort auch schon Reden gehalten. Damit bin ich nicht alleine: Zehntausende Wissenschaftler unterstützen die Proteste.

Bringt das was?

Vor fünf Jahren stand Greta Thunberg alleine mit einem Plakat vor dem Parlament in Stockholm. Daraus ist eine weltweite Jugendbewegung geworden, die mehr Einfluss auf die Politik hat als viele Jahrzehnte Wissenschaft davor.

Woran merkt man den Klimawandel bei uns am deutlichsten?

Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen oder Hochwasser häufen sich. Und die Jahreszeiten fließen mehr ineinander: Die Apfelbäume blühen früher, die Bäume werfen im Herbst die Blätter später ab, an manchen Herbsttagen kann man im T-Shirt rumlaufen, und im Winter warten viele vergeblich auf Schnee.

Dieser September fühlt sich auch sehr sommerlich an ...

Ohne den Klimawandel hätte es gerade keine 30 Grad. Tatsächlich ist das Wetter an keinem Tag mehr so, wie es ohne Klimawandel gewesen wäre. Dieser Sommer auf der Nordhalbkugel zeigt das deutlich: Er hat die globale Durchschnittstemperatur auf eine neue Spitze getrieben, war der heißeste seit mindestens 10 000 Jahren.

Woher wissen Sie das so genau?

Wir haben viele Mittel, um das Klima zu erforschen: Experimente, Expeditionen, Daten von Wetterstationen aus der ganzen Welt. Material vom Meeresgrund oder aus Eisbohrungen verrät uns, wie es früher war. Und am Computer können wir berechnen, wie es in Zukunft wird. Letztlich ist das Physik: Wie wirkt sich was worauf aus? Etwa die Temperatur auf den Meeresspiegel ...

Und machen ein, zwei Grad mehr wirklich so einen Unterschied?

Ja, weil es Kipppunkte für Systeme gibt. Das ist beim Menschen auch so. Je mehr Fieber er hat, desto schlechter geht es ihm. Bei 43 Grad aber ist Schluss. Das überlebt keiner. Der Klimawandel ist ein bisschen, als ob der Planet Fieber hätte. Wälder, Flüsse und Städte sind nicht an die Erwärmung angepasst.

Trotzdem leben wir in einem Eiszeitalter. Wie kann das sein?

Solange es Landeismassen gibt, etwa Gletscher oder die Arktis, spricht man von einem Eiszeitalter. Aber: Dem sind 100 Millionen Jahre Abkühlung vorausgegangen, in der Pflanzen CO₂ aus der Luft gefiltert haben. Diese Pflanzenablagerungen nutzen wir heute als fossile Energiequellen. Das Problem: Wir verbrennen pro Jahr so viel, wie in einer Million Jahren gebildet wurde. Das führt zu einer Art Kurzschluss im Klima.

Professor Stefan Rahmstorf arbeitet beim Potsdam-Institut für Klimaforschung. Sein Kinderbuch "Wolken, Wind und Wetter" sollten ruhig auch Erwachsene lesen. (Foto: privat)

Was entgegnen Sie Menschen, die den Klimawandel kleinreden?

Kommt darauf an: Geht es um die Oma, die davon erzählt, dass es früher auch schon heiße Sommer gab? Ihr würde ich erklären, dass Messdaten beweisen, dass es nicht schon immer so war. Und dass viele Menschen bereits unter den Folgen des Klimawandels leiden. Weil ihre Häuser von Fluten mitgerissen wurden oder Dürren ihre Ernten vernichten. Aber es gibt auch Menschen, die den Klimawandel komplett leugnen - etwa in der AfD. Ich habe lange versucht, auch mit ihnen zu sprechen. Leider musste ich einsehen, dass die meisten für sachliche Argumente nicht zu haben sind.

Kann man als Klimaforscher eigentlich den Sommer genießen?

Ich war im Urlaub an der Ostsee und konnte gut entspannen. Vor allem, weil ich so gern schwimme. Privat geht das, beruflich mache ich mir große Sorgen um die Menschheit.

Viele Kinder auch, manche verlieren den Mut. Verstehen Sie das?

Natürlich. Aber es gibt auch Hoffnung: Wir stehen dem Klimawandel nicht ohnmächtig gegenüber, es gibt Lösungen wie erneuerbare Energien. Strom aus Sonne, Wasser und Wind wird immer billiger, das Zeitalter fossiler Energien endet.

Können wir den Klimawandel wirklich aufhalten?

Definitiv. Wenn wir jetzt aufhören, Treibhausgase freizusetzen, stabilisiert sich die Temperatur auf der Erde binnen weniger Jahre. Deshalb hat die Weltgemeinschaft versprochen, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten.

Das klappt aber nicht so gut ...

Weil viele Menschen Angst vor Veränderung haben und viele Politiker Angst um Wählerstimmen. Zudem haben reiche Länder mehr Einfluss in der Welt - gerade sie verursachen aber am meisten Treibhausgase. Eigentlich müssten wir uns verhalten wie in einer Kriegssituation, schnell und entschlossen handeln und den Kampf gegen den Klimawandel zum obersten Ziel machen. Los jetzt!

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