SZ-Werkstatt:Wer die Hosen anhat

Stefanie Preuin war für eine Reportage für das Buch Zwei in Albanien, um Schwurjungfrauen zu fotografieren. Das warf einige Fragen auf.

"Du fliegst nach Albanien - nächste Woche." Gedanklich packe ich noch eine zusätzliche Ersatzkamera in meinen Fotorucksack und denke darüber nach, was ich über Albanien weiß. Bunker, Enver Hoxha und Balkanküche. Aber Moment mal, was soll ich überhaupt fotografieren, frage ich meine Kollegin. Die Antwort fällt kurz aus: Burrneshas. Pause. Schwurjungfrauen. Irgendwo klingelt es ganz leise. Ich krame in meinem Bildgedächtnis: Pepa Hristovas Porträtserie "Sworn Virgins" kommt zum Vorschein. Frauen, die als Männer leben - ohne Operation, große Diskussionen über Transgender oder Geschlechterrollen. Ein Schwur verpflichtet sie zur Jungfräulichkeit, ihnen kommt der Respekt zu, den Männer in Albanien genießen.

Das Thema wird eine scheinbar banale, aber wichtige Frage mit sich bringen: Wie sprechen wir die Protagonisten an? Er oder sie, weiblicher oder männlicher Name, Diana oder Lali? Während der Gespräche und Interviews verwenden wir die männliche Form, in Besprechungen zwischen der Autorin und mir werden wir meist in die weibliche abrutschen.

Welche Rolle der Mann in Albanien hat, wird bereits im Taxi vom Flughafen nach Tirana deutlich: Der Fahrer möchte sich darstellen, imponieren und das letzte Wort haben. Dieses Verhalten beobachte ich immer wieder. Auch bei unserem Protagonisten. Sobald ich den Finger am Auslöser habe, beginnt das Schauspiel. Mit leisen Pfiffen fordert Lali Rakipi meine volle Aufmerksamkeit. Offensichtlich möchte sie, er mir zeigen, wer die Hosen anhat. Ich habe Geduld und außerdem auch ein hübsches Beinkleid an. Einige Fotos später entstehen Momente, die ohne Show auskommen, die die Burrnesha natürlicher, vielleicht weiblicher erscheinen lassen.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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