SZ-Werkstatt:So geht Wimbledon

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Modernisieren, damit alles beim Alten bleibt: SZ-Sportredakteurin Barbara Klimke über das besondere Geschäftsmodell des berühmten Rasentennis-Turniers und den unauffälligen Expansionsdrang der Engländer.

Barbara Klimke hat Georg Hackl 2002 bei seiner Silberfahrt im Olympia-Eiskanal gesehen. Sie ist seit 2017 Sportredakteurin der SZ, war vorher unter anderem stell. Ressortleiterin der Berliner Zeitung. (Foto: Frank Molter/OH)

Morgens, bevor die Zuschauer kommen, riecht es tatsächlich nach Garten: Gemäht wird täglich, um jeden Halm auf acht Millimeter Länge zu stutzen. Manchmal sieht man Gärtner auf Knien über die Plätze rutschen, um mit der Wasserwaage die Ebenheit der Grasnarbe zu prüfen. Neun Tonnen Samen, 54 000 000 Rasenpflänzchen, dazu Erdbeeren, weiße Kleidung, wilder Wein am Centre Court: Das ist Wimbledon.

Das heißt: Nicht ganz. Denn das ist das Image, das der All England Club, heute eine GmbH, mit enormer Anstrengung und Akribie verbreitet. Allein in diesem Jahr wurde an 40 Baustellen zum Teil gleichzeitig geschraubt und gearbeitet, damit die Tenniswettbewerbe im Südwesten Londons in einem umkämpften Markt ihre Ausnahmestellung behaupten. Denn auch andere große Turniere rüsten auf.

Das Geschäftsgeheimnis von Wimbledon allerdings besteht darin, dass wie wild modernisiert wird, um den altertümlichen, zum Teil skurrilen Charme zu erhalten. Nicht alles, was traditionell ist, ist unabänderlich; aber alles, was geändert wird, muss in den traditionellen Rahmen passen. Könnte der Club seine Anlage großflächig mit Werbebotschaften tapezieren? Selbstverständlich. Aber Wert der Championships besteht darin, dass jeder, der in Pittsburgh oder Peking den Fernseher anschaltet und dann weiße Kleidung, freie Bande und grünen Rasen sieht, sofort weiß: Das ist Wimbledon.

In diesem Jahr wurde auf die zweitgrößte Arena ein Faltdach gesetzt, zur Vermeidung von Regenunterbrechungen. Gleichzeitig entstanden 3000 Sitzplätze mehr. Die Sitzschalen wurden übrigens schon vor einiger Zeit vergrößert, weil die Gesäße heute breiter sind. Innerhalb der nächsten Jahre wird der Club expandieren und sich das Gelände des angrenzenden Golfclubs einverleiben. Auch das wird das Gesamtbild wohl kaum stören, solange es Rasen, wilden Wein und Erdbeeren gibt.

Die Erdbeeren, frisch aus Kent, kosten übrigens 2,50 Pfund pro Portion, es sind zehn Stück. Der Preis ist seit 2010 konstant. Auch so wird der Eindruck erweckt, dass alles beim Alten bleibt. bkl

(Foto: N/A)
© SZ vom 13.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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