SZ-Werkstatt:Im Katastrophenmodus

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Matthias Köpf, 45, ist Oberbayern-Korrespondent der SZ und stammt selbst aus dem Katastrophengebiet. (Foto: privat)

Matthias Köpf, Korrespondent für Oberbayern, hat gerade aus beruflichen Gründen viel Zeit im Schnee verbracht. Den Rucksack für ungeplante Übernachtungen musste er zwar nicht aus dem Auto holen, Spaten und Ersatzstiefel schon.

In einer - und zwar hoffentlich nur in genau einer - Hinsicht gleicht die Schneekatastrophe, die in den vergangenen beiden Wochen die Menschen am bayerischen Alpenrand und weit darüber hinaus beschäftigt hat, einer Eheschließung oder einer Ernennung zum Oberstudienrat: Genauso, wie dazu berufene Amtsträger die einen Menschen für verheiratet erklären und die anderen zur fortgeschrittenen Lehrkraft befördern, so machen in Bayern erst die Landräte eine Situation zur Katastrophe. Durch amtliches Ausrufen nämlich, wobei das Gesetz da ein bisschen vorsichtiger formuliert und so tut, als ob ein Katastrophenfall ganz objektiv festgestellt werden könnte. Dabei wird so eine Katastrophe offenbar auch für manche Berichterstatter zur Herausforderung für die eigene Objektivität, wenn ihre Kollegen in den Redaktionen auf das Stichwort hin auch entsprechend Katastrophales erwarten.

Die vielen freiwilligen Helfer haben zwar nicht viel Zeit zum Fernsehen, machen da aber anscheinend trotzdem ihre eigenen Erfahrungen. Denn je länger die Schneekatastrophe andauert, desto vorsichtiger und zurückhaltender werden viele mit ihren Auskünften. Stattdessen ordnen die Landratsämter einerseits Verschwiegenheit an und andererseits ihren Klimaschutzmanager oder die Sachbearbeiterin fürs Waffenrecht zum Pressestab ab, um auch hier die Kontrolle über die Katastrophe zu behalten. Deswegen muss nach ein paar Tagen medialer Belagerung manch folgsamer Feuerwehrmann dann eben ohne Foto und ohne Namensnennung von seiner Erschöpfung erzählen.

Eines sind all die Helfer aber offenkundig auch nach zwei Wochen noch nicht gewohnt: dass sich ein Journalist bei ihnen nicht nur in aller Form für ihre Zeit und für ihre Auskünfte bedankt, sondern ganz privat auch für ihren großen freiwilligen Einsatz im Schnee.

© SZ vom 19.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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