SPD:Ein schwieriger Spagat

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Verrät die Partei die sozialen Aufsteiger? Ein Leitartikel spaltet die Leserschaft. Manche wenden sich von den Sozialdemokraten ab, andere unterstützen die Vorstöße der SPD.

Zu "Klassenkrampf" vom 28. August:

Auch etwas zurückgeben

Die SPD. Ein weites Feld. Man kann meiner Partei sicher einiges vorwerfen, die Zerrissenheit in Deutschland zu fördern eher nicht. Wieso ist es ungerecht, wenn Menschen, die mehr verdienen, sich mehr an den Kosten der Gesellschaft beteiligen? Ist es gerechter, wenn alle das Gleiche bezahlen, oder auch nicht, unbesehen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse? Was stört Henrike Roßbach an der Grenze von 74 000 Euro per anno? Das ist ein monatliches Bruttoeinkommen von knapp 6200 Euro, netto bei Steuerklasse III, etwa 4060 Euro. Das ist auch in München ein ordentliches Gehalt. Der Soli beträgt hier 31,54 Euro im Monat.

Und nein, die SPD verrät nicht ihre Prinzipien. Wenn eine andere Partei, in diesem Fall Die Linke, ähnlich argumentiert, ist das Argument nicht schon besetzt, und man muss sich ein anderes suchen. Wir sind hier schließlich nicht auf Malle bei den Strandliegen, sondern im politischen Diskurs. Da darf man auch mal jemanden von der Argumentationsliege schubsen. Und nein, die SPD verrät auch nicht die Aufsteiger, und ja, die SPD streitet seit über 150 Jahren für den Aufstieg. Aber wenn man es geschafft hat, durch eigene Arbeit und Leistung, dann gibt man eben auch wieder etwas zurück. Seien wir stolz darauf, es uns leisten zu können, die Gesellschaft zu unterstützen. Es gibt noch so viel zu tun.

Nils Kühne-Hellmessen, Wassertrüdingen

Links, oder doch nicht?

Das "ursozialdemokratische Anliegen" des Aufstiegs wird nicht diskreditiert durch die Forderung, dass Menschen, die Geld verdienen, Teile dieses Geldes an Steuern zahlen. In einer Gesellschaft, in der die Schere zwischen Arm und Reich sich weiter öffnet, ist es sicherlich auch nicht verwerflich, "die Reichen" mehr zu besteuern. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie man der SPD vorwerfen kann, dass sie links ist. Schließlich wird ihr seit zehn Jahren vorgeworfen, nicht mehr links zu sein. Ich meine aber auch, dass der Konflikt unserer Zeit viel mehr in den Unterschieden zwischen Stadt und Land besteht.

Ich denke, der Soli ist zur Bekämpfung dieser Unterschiede weiterhin nötig. Man kann die Teilabschaffung des Solis auch anders verstehen als die Autorin: Es werden die Besserverdiener nicht durch eine neue Steuer mehr belastet. Sie werden nur nicht entlastet. Die Entlastung der Schlechterverdiener ist dagegen wegen der hohen Einkommensbesteuerung notwendig.

Valentin Lindlacher, München

Ende der Vergünstigungen

Anders als suggeriert wird, ist es heute kaum noch möglich, durch seiner eigenen Hände Arbeit wohlhabend zu werden. Das liegt sicher auch daran, dass man bereits mit einem Jahresbruttoeinkommen von 74 000 Euro zu den oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher gehört, oder anders gesagt, 90 Prozent der Bürger weniger verdienen. Nicht der Spitzensteuersatz, sondern eine Wirtschaftspolitik, die davon ausgeht, dass von der Schonung der Spitzeneinkommen und Spitzenvermögen alle profitieren würden, verhindert den Aufstieg.

Die Anfang der 80er Jahre um sich greifende Idee des Trickle-down-Effekts, also der Schonung von Spitzeneinkommen und -vermögen zum Wohle aller, hat nicht funktioniert. Im Gegenteil: Die Erträge aus Kapitalvermögen sind gegenüber denen aus Arbeitseinkommen überproportional gestiegen. Die SPD hat recht, wenn sie sagt, heute werde man durch eigene Leistung eher nicht mehr reich.

Es geht gar nicht darum, soziale Aufsteiger zu bestrafen, es geht vielmehr darum, den sozialen Aufstieg überhaupt erst wieder zu ermöglichen. Das geht nur über mehr Verteilungsgerechtigkeit bei Einkommen und Vermögen, und es geht offensichtlich nicht auf freiwilliger Basis.

Natürlich können wir weiter das eine oder andere Heftpflaster auf die Symptome der ungerechten Verteilung kleben. Besser wäre es, über unser Wirtschafts- und Finanzsystem nachzudenken, das sich vom "Sozialen" in der "sozialen Marktwirtschaft" verabschiedet hat und dem es daher auch zunehmend an demokratischer Legitimation fehlt. Dies schließt ein, dass Lohn- und Gehaltsempfänger wieder mehr vom Erfolg ihrer Arbeitgeber profitieren, um Vermögen aufbauen zu können. Es bedeutet eine Umverteilung von bestehendem Kapitalvermögen durch Einführung einer Vermögensteuer und höheren Erbschaftsteuern. Es bedeutet das Ende der Steuervergünstigung für Kapitalerträge, und es bedeutet auch, dass Bezieher überdurchschnittlich hoher Einkommen sich mehr am Steueraufkommen beteiligen, aus Gerechtigkeitsgründen.

SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: N/A)

Raoul Koether, München

Gunst vieler Aufsteiger verspielt

Der Artikel spricht mir aus dem Herzen. Leistungsträger sind eben nicht nur die vielbeklagten Krankenschwestern, Putzkräfte, Straßenreiniger, Kassiererinnen etc. Die auch, aber eben auch die, die zum Beispiel auf mittlerer Managementebene Personal führen, verantwortliche Entscheidungen treffen, im Wettbewerb mit anderen stehen. Sie haben eine lange Ausbildung, sehr oft eine akademische. Die nun verdanken sie unter anderem auch der SPD, die akademische Bildung für Bürger aus allen Schichten in den 70er-Jahren leichter möglich machte. Und die bis heute diejenigen nicht recht mag, die diesen Weg beschritten. Die SPD muss sich daher nicht wirklich wundern, wenn Wähler aus diesen Gruppen es sich leisten, sie eben nicht mehr zu wählen. Selber schuld!

Heike Münzer, Gütersloh

Die Mär vom Vermögensaufbau

Die SPD wird als Partei beschrieben, die die "Diskreditierung von Leistung und Erfolg salonfähig" mache. Wie die Autorin zu der Aussage kommt, ist rätselhaft. Wie kommt sie zu dem Schluss, dass viele Aufsteiger aus der sogenannten Unterschicht sich größeres Vermögen anhäufen könnten? Die Definition für "Aufsteiger" fehlt. Als Aufsteiger bezeichnet man Kinder, die aus der Unterschicht über Gymnasium und Studium höhere Positionen erreichen können. Dabei handelt es sich um 10 bis 13 Prozent aus sogenannten bildungsfernen Haushalten. Sie gehören wohl kaum zu denen, die ein, in der Regel gering versteuertes, Vermögen ansparen konnten. Es mag sein, dass Einkommen von 74 000 Euro an für weitere Soli-Beiträge herangezogen werden. Was jedoch die seit 1998 nicht mehr erhobene Vermögensteuer betrifft, erscheint der Vorwurf an die SPD unzeitgemäß und rückwärtsgewandt in einer Zeit, in der die Vermögensschere immer weiter aufgeht.

Es ist doch so: In Deutschland wurden in den letzten Jahrzehnten der Spitzensteuersatz, die Kapitalertragsteuer, die Körperschaftsteuer, etwa auch für Veräußerungsgewinne, zurückgefahren. Die Erbschaftsteuer kann erheblich gemindert werden, wenn man es "richtig" macht, wobei das Erbe als leistungsloses Einkommen für die Nachfahren gelten kann, Arbeitseinkommen von einer gewissen Höhe an aber immer versteuert werden müssen. Von einer "Diskreditierung von Leistung und Erfolg" kann nicht die Rede sein.

Monika Reitmajer, Oberding

Partei für Habenichtse

Der Artikel ist das Beste, das ich seit Langer Zeit in einem Presseorgan gelesen habe. In der Tat vollendet die SPD mit ihrer Neid- und Missgunstoffensive gerade einen Wandel von der lobenswerten Anwältin der Arbeiter, der kleinen Leute und der Unterprivilegierten zu einer Partei für Habenichtse, Taugenichtse und Unwahrhaftige.

Dr. Friedrich Leibbrandt, Kürten

© SZ vom 07.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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