Rundfunkbeitrag:Urteil mit Ausnahmen

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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hält den Rundfunkbeitrag für im Großen und Ganzen mit dem Grundgesetz vereinbar. Nicht alle SZ-Leser können sich mit dem Ausgang des Verfahrens anfreunden. Bemängelt werden in erster Linie zwei Punkte.

" Verfassungsgericht billigt Rundfunkbeitrag" vom 19. Juli:

Paradigmenwechsel

In der Pressemitteilung des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts hieß es, dass das Gericht "aufgrund der vorliegenden statistischen Daten nicht verlässlich feststellen könne, ob Hotelzimmer, Ferienwohnungen etc. nahezu lückenlos mit Fernsehgeräten oder geeigneten Internetzugängen ausgestattet seien, und deshalb die Rundfunkbeitragspflicht nur bei bereitgestellter Empfangsmöglichkeit verfassungsgemäß sei". Was die Leipziger Richter für verfassungswidrig halten, halten die Richter des Bundesverfassungsgerichts in ihrem Urteil (vom 18. 7. 2018) für verfassungskonform. Sie verkünden (in Abschnitt 2.c), dass der Rundfunkbeitrag erhoben werden darf, "weil den Beitragsschuldnern durch das Beschaffen von entsprechenden Empfangsgeräten ein Empfang im gesamten Bundesgebiet möglich" sei. Es muss also nicht mehr verlässlich feststellbar sein, ob nahezu alle Haushalte (also nach BVerwG 8C 112.84 "mehr als 90 Prozent aller Haushalte") über Empfangsgeräte verfügen, sondern es reicht aus zu behaupten, dass sich ja alle Haushalte ein Empfangsgerät kaufen könnten.

Das ist wahrhaft ein Paradigmenwechsel in der Rechtsauffassung. Paul Kirchhof hatte noch 2010 in seinem Rechtsgutachten (Seite 62) - "um der Rechtssicherheit und der Akzeptanz willen" - vorgeschlagen, "eine widerlegbare Regelvermutung zu schaffen". Er wollte auch denen gegenüber, die keine Empfangsgeräte für Fernsehsendungen bereithalten, Gerechtigkeit walten lassen.

Ulrich Felgner, Tübingen

Gerechtigkeit sieht anders aus

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde von den Begünstigten mit Freudenbekundungen aufgenommen. Zwar wurde entschieden, dass der Rundfunkbeitrag unabhängig von der tatsächlichen Nutzung öffentlich-rechtlicher Angebote zu zahlen ist. Die argumentative Delle des Urteils besteht nun aber darin, dass diese Pflicht für Zweitwohnungen ab Ende Juni 2020 nicht mehr gelten soll, und zwar mit der Begründung, dass sich zwei Wohnungen ja nicht gleichzeitig nutzen ließen.

Hier kehrt also das Argument von Nutzung wieder, das man ja eigentlich loswerden wollte. Außerdem stimmt das so nicht, es sei denn, es gäbe in Deutschland nur Ein-Personen-Haushalte. Problematisch an dem Urteil sind zwei Punkte: Mit der Ausnahmeregelung für Zweitwohnungen wurde - erstens - quasi hinterrücks wieder der Aspekt der Nutzung von Rundfunk anerkannt. Das ist ein erheblicher Begründungsfehler. Die Lebenswirklichkeit in Deutschland sieht - zweitens - so aus, dass sich nicht wenige Familien, Paare, Gemeinschaften einen Erstwohnsitz teilen, aber auch noch andernorts eine oder mehrere Wohnungen nutzen. Auch soll es Paare geben, die luxuriös in zwei Wohnungen wohnen, weil dies ihrer Beziehung guttut.

All die sind nun fein raus, denn, falls noch nicht geschehen, werden sie sich auf einen gemeinsamen Erstwohnsitz einigen und auf jeden Fall dabei einen Rundfunkbeitrag sparen. Hier rächt es sich, dass aus Gründen verwaltungstechnischer Praktikabilität das wohnsitzbezogene Kirchhof-Modell gewählt wurde, statt nach Köpfen zu rechnen. Denn warum soll der knapp über der Befreiungsgrenze liegende allein Lebende genauso viel zahlen wie das wohlsituierte Doppelverdienerpaar? Beitragsgerechtigkeit müsste anders aussehen.

Dr. Helmut Buchholz, Köln

© SZ vom 01.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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