Menstruation:Immer noch ein Tabu

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Erst große Freude über das Thema, dann die große Enttäuschung: So viel Wichtiges hat Meredith Haaf in ihrem Essay über die weibliche Periode und ihre Auswirkungen gerade auch auf junge Mädchen nicht gesagt.

"Alle Tage wieder" vom 2./3. September:

Meine Freude darüber, dass es einen ausführlichen Artikel zum Thema Menstruation zu lesen gibt, wich schnell einer sehr großen Enttäuschung. Wie schade, dass Meredith Haaf sich nur mit ironisch-distanzierendem Ton das Thema vom Halse hält, "die rote Welle, die derzeit durch die Diskurse schwappt", "die Menstruationstasse" haha, statt die Gelegenheit zur ernsthaften Auseinandersetzung zu nutzen. Die Monatsblutung der Frauen ist - entgegen der launigen Beschreibung - selbstverständlich noch ein riesiges Tabu, sonst wären die künstlerischen Provokationen von Frauen dazu gar nicht mehr notwendig.

Kein Wort in diesem Artikel dazu, was die Menstruation für Frauen bedeutet, für ihre Psyche, ihren Körper, für die Selbstakzeptanz und das Bild der so selbstverständlich gesellschaftlich geforderten "Sauberkeit". Die Absolution, eine Frau habe nun mal "ihre Tage", stellt eher einen Zustand der Isolierung, wenn nicht gar der verächtlichen Distanz her. Was ist mit jungen Mädchen, die keine Tampons verwenden können, ohne ihre Jungfräulichkeit zu zerstören - ein ängstlich besetztes Thema, nicht nur für islamische Mädchen.

Die Zeit der Blutung ist häufig eine Zeit mit Schmerzen, die - peinlich wie das ganze Thema - mit Tabletten weggedrückt werden. Die Fantasie, das mit dem schmerzhaft herausgebluteten "Ei" die Potenzialität zu einem Kind verschwindet, generell die Fantasien zum eigenen Körper - das große Unwissen, das junge Mädchen bei aller "Aufklärung" noch über ihre Geschlechtsteile haben, die genierte Verlegenheit, wenn es darum geht, dass Frauen sich anschauen und den Geschlechtsbereich kennen sollten: eine Selbstverständlichkeit für den Mann von Kindheit an.

Und nicht zuletzt die häufigen "Korrekturen" des Zyklus, die Frauen mithilfe von Medikamenten vornehmen, um zu besonderen Anlässen besonders leistungsfähig zu sein. Oder die Frage der körperlichen Liebe während der Blutung. Wie viel wäre zu sagen zur Funktion des tradierten Ekels vor diesem Blut, Ekel der anderen, Ekel vielleicht auch der jungen Frau vor sich selbst.

Der einzig wahre Satz im Text ist der, dass es kein Entkommen aus dem eigenen Körper gibt. Was wäre das für ein Thema gewesen.

Sabine Zurmühl, Berlin

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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