Lehrermangel:Mit Geld alleine nicht zu lösen

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Kaum zu glauben: Weil Bedarfsanalysen nicht aktualisiert wurden, fehlen jetzt Tausende Lehrer, vor allem in Gundschulen. Nur mit höheren Gehältern kann man die Lücke nicht schließen, so ein Leser. Was bringen Quereinsteiger, Hilfslehrer?

Zu " Lockruf ins Klassenzimmer", und " Ungerechte Schule" vom 10. September:

Katastrophale Planung

Säkulare Ereignisse wie die Wiedervereinigung und Disruptionen wie der Pillenknick lassen sich in der Tat schwer vorhersagen - treten aber auch nur sehr selten auf. Ansonsten werden die Prognosemöglichkeiten der Statistik, der Demografie, der Soziografie und der Biometrie sträflich unterschätzt beziehungsweise vernachlässigt. Nur ein Beispiel: Der medizinische Fortschritt, haupt- oder mitursächlich für viele demografische Phänomene, lässt sich auf etwa 20 Jahre im Voraus abschätzen - so lange dauert es in Regel von der ersten Idee über Erprobung und Zulassung bis zur Einführung und Anwendung medizinischer Präparate und Verfahren.

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte)

Auch die wirtschaftliche Entwicklung und die dadurch bedingten ökonomischen und sozialen Prozesse und Verhaltensweisen lassen sich recht gut über einen längeren Zeitraum abschätzen, natürlich mit gewissen Toleranzbreiten. Erscheinungen wie jüngst in Berlin, als für einen Zeitraum von drei Jahren das Fehlen von erst über zwanzigtausend, kurz darauf von unter zehntausend Lehrern vorhergesagt wurde, sind nur auf das Versagen der zuständigen Planer zurückzuführen.

Prof. Wolf-Rüdiger Heilmann, Berlin

Wie nach dem Krieg

Ich bin 1938 geboren und wurde im Herbst 1944 eingeschult - für einen Tag. Dann kam der Krieg und im Herbst 1945 wurde ich gleich in die 2. Klasse versetzt. Wir waren 85 Kinder in acht Klassen in einem Klassenraum mit einem Lehrer - bis zum Schulabschluss.

Weil der Lehrer ja nicht alle acht Klassen gleichzeitig betreuen konnte, mussten die Besten der 7. und 8. Klasse als "Lehrer" bei den 1. bis 4. Klassen "unterrichten"; denen das Abc sowie Wörter und Sätze zu schreiben und zu lesen beibringen, die Zahlen eins bis hundert, das "Zusammenziehen und Abziehen" derselben etc.

Und während sie so "Hilfslehrer" waren, unterrichtete der gelernte Lehrer die höheren Klassen, mit der Folge, dass die minderjährigen Hilfslehrer von seinem Unterricht wenig bis nichts mitbekamen und sich selbst bei Klassengleichen um den Lehrstoff bemühen mussten. Wäre das nicht ein vorübergehendes Modell, um den heutigen akuten "Lehrermangel" an Grundschulen zu beheben?

Natürlich war meine Grundschulausbildung desolat. Ich bin dennoch bis zum Direktor und Vizepräsidenten einer Behörde aufgestiegen. Natürlich mit Zielstrebigkeit und Fortbildung aus eigener Initiative. Schule ist nicht alles!

Ich kann es wirklich kaum glauben, 2019 stehen wir in Deutschlands Grundschulen wieder ähnlich da wie in 1945?! Wenn das mal kein Armutszeugnis für unseren "freiheitlichen, demokratischen, sozialen Rechtsstaat" ist: Einer der stärksten Wirtschaftsmächte der Welt - mangelt es an Lehrern. Wie verlottert!

Nikolaus Krost, Koblenz

Idealismus gefragt

Höhere Bezahlung ist kein gutes Mittel, um mehr Lehrer hervorzubringen. Lehrer wird man nicht wegen der Bezahlung - die gar nicht so schlecht ist -, sondern aus Idealismus. Eine höhere Bezahlung würde eine Klientel anlocken, der es nicht um Emanzipation geht, sondern um Karriere, und sie würde dieses Denken mehr oder weniger bewusst an Kinder weitergeben. Das Problem an den Schulen sind vernachlässigte Kinder, uneinsichtige, auf Konfrontation gebürstete Eltern, Leistungsideologie und Bürokratie. Das zusammen ergibt ein Gebräu von einer Belastung, die einmal mit der eines Kampfjetpiloten im Einsatz verglichen wurde. Lehrer wäre ein schöner Beruf, wenn nur Kommunikation und Emanzipation im Mittelpunkt stünden.

Friedhelm Buchenhorst, Grafing

© SZ vom 21.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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