Landwirtschaft:Hunger, Brachflächen und Spekulanten

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Trotz Kriegs in der Ukraine für alle ausreichend Nahrung zu haben, ist schwierig. Doch die Debatten deutscher Politiker leuchten angesichts der Lage längst nicht jedem ein.

"Weizen als Waffe" vom 30. April/1. Mai:

Acker muss Acker bleiben

Unter dem Druck, eine Hungersnot in Afrika zu verhindern, diskutieren Politiker und Ökonomen darüber, wie sinnvoll es wäre, in Deutschland Lebensmittel auf Ökoflächen zu erzeugen. Ein schwieriges Thema, da Artenschutz und Biodiversität langfristig ebenso wichtig für die Versorgung mit Nahrungsmitteln sind. Ohne Bienen kein Brot. Auch die Erzeugung von Biokraftstoffen auf unseren Feldern steht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und ist kritisch zu hinterfragen. Was aber gar nicht geht: wertvolle landwirtschaftliche Flächen für Wohnungsbau zu versiegeln. Für uns Münchner heißt das: Bebauungspläne für SEM-Nord und SEM-Nord-Ost müssen sofort ad acta gelegt werden.

Nicht nur der Krieg in der Ukraine, auch Corona und die damit verbundenen Lieferengpässe zeigen, wie wichtig regionale Selbstversorgung mit Gemüse und anderen landwirtschaftlichen Produkten ist. Es gibt bessere Möglichkeiten, den Druck vom Münchner Wohnungsmarkt zu nehmen: Förderung des ländlichen Raumes, flächendeckender Breitbandausbau, Universitäten und Fachschulen auch in Klein- und Mittelstädten, Arbeitsplätze dort schaffen, wo Wohnungen vorhanden sind.

Durch Home-Office und Online-Handel wird sich in München ohnehin einiges ändern. Kaufhäuser und leer stehende Bürogebäude kann man in Wohnungen umbauen, den Euro-Industriepark in ein Wohn-Gewerbe-Mischgebiet mit Grünflächen umwandeln - und die bestehenden Grünflächen und Frischluftschneisen der Natur und den Bürgern überlassen.

Sonja Sachsinger, München

Politik für Wohlhabende

Der Krieg in der Ukraine hat meiner Meinung nach ganz brutal offengelegt, wie Lebensmittel zu Börsenspekulationsobjekten geworden sind, genauso wie börsennotierte Wohnungsgesellschaften. Beides sind Grundbedürfnisse der Menschen, in der Hand von Spekulanten und Finanzinvestoren. Was für eine grobe Missachtung aller ethischen und moralischen Grundsätze für diese "eine Welt".

Der Club of Rome hat bereits 1970 festgestellt, dass die Ernährung der Weltbevölkerung (damals 3,6 Milliarden) die Gemeinschaft vor große Probleme stellt. Dass wir bisher die Ernährung von knapp 8 Milliarden Menschen beschränkt sicherstellen konnten, war nur möglich, weil wir eine hocheffiziente Agrarwirtschaft haben, die von den Grünen aber strikt abgelehnt wird. Trotz modernsten Anbaumethoden und Pflanzenschutzmitteln war es nicht möglich, fast eine Milliarde Menschen so zu ernähren, dass sie nur annähernd ihren täglichen Grundumsatz -das ist der Kalorienbedarf der nur zur Aufrechterhaltung der körperlichen Funktionen notwendig ist - erfüllen.

Sie leiden Hunger. Was für ein Desaster für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Mich irritieren die Aussagen von Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sehr. Lemke will die Agrarwirtschaft verpflichten, 70 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Wohl wissend, dass dann mit einem Minderertrag von etwa 30 Prozent kalkuliert werden muss. Was für eine grüne Logik, bewusst eine Unterversorgung von Lebensmitteln billigend in Kauf zu nehmen. Özdemir vertritt die ungeheuerliche Meinung, dass die Lieferung von Waffen in die Ukraine eine Hungersnot vermeiden helfe. Das ist absurd. Wenn der Minister für Landwirtschaft sich für den Erhalt der Brachflächen in der EU einsetzt, während eine Milliarde Menschen vom Hunger bedroht sind, ist das nicht ethisch und moralisch. Auch die Umwandlung von Agrarprodukten zu Biosprit und Biogas finde ich in Bezug auf die weltweite Nahrungsknappheit unverantwortlich. Dazu kommt von den Grünen-Ministerinnen die Aufforderung an die Wirtschaft, die Lebensmittelpreise zu erhöhen. Das Argument: Wir hätten die niedrigsten Lebensmittelpreise in der EU. Ich war in allen nordeuropäischen Ländern, konnte aber nicht feststellen, dass es große Preisunterschiede gab. Welche Milieus bedienen die Grünen? Für mich ist die dogmatische Diskussion nicht nachvollziehbar. Was für ein Luxusproblem. Das beschämt mich sehr. Diese Politik ist unsozial und bedient eindeutig die Wohlhabenden und Vermögenden.

Hubert Klemenjak, Mindelheim

© SZ vom 12.05.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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