Konzerthaus München:Umstrittenes Projekt an einem abseitigen Ort

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Die Elbphilharmonie war teuer und in ihrer Bauzeit ein Skandalprojekt. Doch nun ist das Konzerthaus in Hamburg in den Augen einiger Leser ein unerreichbares Vorbild für München, das ausgerechnet eines am Ostbahnhof plant.

Computeransicht des Siegermodells im Architektenwettbewerb zum neuen Konzerthaus München. (Foto: dpa)

Zu " Niemals zweite Liga" vom 19./20. September:

Hamburg bleibt wohl spitze

Bezeichnenderweise steht der Artikel über das neue Konzerthaus München auf der ersten Wirtschaftsseite. Vielleicht befördert Wirtschaftsdenken die in Corona-Zeiten verkümmerte Kultur? Bei aller musikalischen Bedeutung, die München zweifellos hat, ist die städtebauliche Lösung für die Konzerthaus allerdings meines Erachtens doch nur "zweite Liga". Die Hamburger Elbphilharmonie ist die architektonische Spitze der neuen Hafen City, eines genialen Akts von Stadtentwicklung auf verlassenen Hafenflächen, sie dominiert das Elbufer und die großen Wasserflächen des Hafens als Merkzeichen. Ein Ambiente, von dem München nur träumen kann. Es ist am Ostbahnhof schlicht gesagt nicht "fotogen".

Das Konzerthaus wird niemals ein Bau sein, zu dem wie in Hamburg auch die Massen strömen, wenn sie keinen Bezug zur Kultur haben ... ihn aber über die großartige Kombination von Architektur, Städtebau und großartiger Lage am Wasser in der Hansestadt werbewirksam finden. München hat leider nicht den Mut für einen adäquaten Standort gehabt: auf dem Olympiagelände, das auch nach fast 50 Jahren nichts an seiner Anziehungskraft verloren hat! Es bleiben hier somit zwei Weltorchester auf einem unglücklichen Standort.

Frank Becker-Nickels, München

Mut fehlt, Chance vertan

Ein Konzerthaus am falschen Platz. Ein Ort ohne Identifikation und Symbolkraft, abseits vom Zentrum gelegen. Kein charakteristisches Merkmal oder lebendiger, spannender Ort mit großzügigen Einblicken ins Innere des Gebäudes. Nicht unverwechselbar wie die Silhouette, eine gläserne Welle, der Elbphilharmonie in Hamburg.

In München ein stumpfer Sarg, abstoßend und befremdlich in einer unwirtlichen Umgebung. Die Chance Hofgarten, Deutsches Museum, Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke - vertan. Die Architekten der Elbphilharmonie mit ihrer Kritik beim ausgeschriebenen Wettbewerb im zweiten Rundgang entsorgt. Der Gipfel des Ganzen ist die Realisierung auf einem Erbpachtgrundstück mit ungeklärten Verhältnissen. Aus drei hochgelobten Sälen verbleiben noch zwei. Der große Saal mit 1800 Plätzen, dazu im Vergleich wieder die Elbphilharmonie mit 2100 Plätzen und zwei zusätzlichen Sälen. Wo bleibt der Mut zur Korrektur, einem der besten Orchester der Welt, dem Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks, ein adäquates Konzerthaus zu bieten, und die Münchner Bürger mitzunehmen an einen Ort nahe der Stadtmitte? Ein Platz, der ihnen und nicht dem Erben der Pfanni-Werke gehört. Dies wäre dann eine Voraussetzung, Spenden zu sammeln, um die notwendigen Kosten auszugleichen. Die Voraussetzungen für die erste Liga sind daher meines Erachtens längst vertan.

Manfred Vogel, München

Hier können junge Musiker reifen

Über ungelegte Eier gackern? Nein, das geht nicht! Aber wenn wir hier wieder in der ersten Liga spielen wollen, warum bleiben wir bei der Entwicklung der einzelnen Musik-Bausteine in der Bezirksliga hängen? Ich denke an die zähen Bemühungen für das längst notwendige bauliche und vor allem strukturelle Update der Musikhochschule. Oder auch an die Unterstützung der von Corona besonders betroffenen Musiker, oder auch an die insgesamt fragwürdige Honorierung der Lehrkräfte. Das Thema Musik verlangt den Blick auf alles, auf das gesamte Umfeld. Jetzt immer noch am Gasteig festzuhalten, aus welchem Grund auch immer ...

So gerne ich diesen Konzertsaal in der Nähe des Odeonsplatzes gesehen hätte, so sehr bin ich über die Weichenstellung dankbar: eine Chance für einen einmaligen Konzertsaal, für eine wunderbare städtebauliche Sanierung - und natürlich für einen wunderbaren Landgewinn für einen unbeschwerten Reifeprozess künftiger Musiker.

Stephan Hansen, Ergolding-Piflas

Sinn für Konzertkultur fehlt

Alle Augen richten sich nach Hamburg, das ja selbst einmal zweite Klasse war. Dank der Errichtung eines visionären Gebäudes in einer spektakulären Umgebung hat sich die Stadt aber dramatisch gewandelt. Das NDR-Symphonieorchester konnte seine Abo-Verkäufe verdreifachen. Und das Haus lockt nicht nur das Bildungsbürgertum, sondern auch "den Rest der Gesellschaft" - das ist Kulturvermittlung in reinster Form. Denn "schön" mögen es alle. Und in München? Herr Randlkofer, der ehemalige Dallmayr-Chef und jetzige Vorstandschef der Münchner Konzerthausstiftung, schaut neidisch nach Hamburg: Dort haben die ansässigen Kaufleute ihre Elbphilharmonie mit zig Millionen unterstützt, während sich bis jetzt die Münchner mit zarten drei Millionen an diesem Projekt beteiligt haben. Es sollte niemanden wundern, wenn sich die Münchner Bürgerschaft für das Ostpark-Hinterhof-Projekt nicht erwärmen kann: Ein zeitgemäßes Konzerthaus gehört nun mal an einen auratischen Ort - oder ins kulturelle Zentrum einer Stadt. Es gab ja etliche Grundstücke in der Stadtmitte, die in der Diskussion waren und verworfen wurden. Leider werden die entsprechenden Entscheidungen aber mehrheitlich von Menschen gefällt, die wohl gar keinen Sinn für diese Konzertkultur und deren Mehrwert für München haben.

Prof. Yaara Tal, Pianistin, München

© SZ vom 30.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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