Kohleausstieg:Streitbarer Kompromiss

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Soll und muss man sich nun der gefundenen Lösung fügen? Oder ist es legitim, weiter zu protestieren? Eine Demokratie funktioniert nur, wenn ein Konsens auch akzeptiert wird, schreibt ein Leser. Ein anderer fordert, die Zahlungen für Kraftwerksbetreiber zu senken.

Zu " Der große Ausstieg" vom 17. Januar:

Es ist völlig unverständlich, dass nach dem Regierungsbeschluss zum Kohleausstieg nun weiter protestiert wird. Wir haben eine demokratisch gewählte Bundesregierung, die sich sehr viel Mühe gemacht hat, unter Abwägung aller Aspekte diesen Kompromiss zu erzielen.

Unser Land darf es sich nicht gefallen lassen, von unwissenden Aktivisten ständig vorgeführt zu werden. Es gibt eine noch nicht protestierende Mehrheit, die politische Entscheidungen respektiert und die Zusammenhänge versteht.

Dr.-Ing. Frank Leschhorn, München

Nun erhalten Kraftwerksbetreiber 4,35 Milliarden Euro für überwiegend alte Kohlekraftwerke. Wo bleibt hier die ansonsten so hochgepriesene Marktwirtschaft? Bei der Einführung der Computer wurde auch keine Rücksicht auf die Schreibmaschinenhersteller genommen.

Die Bundesregierung hat sowieso schon aus Rücksicht auf die Kohleindustrie den Ausbau der erneuerbaren Energien sehr gebremst. Dabei sind in den vergangenen acht Jahren mehr als 100 000 Arbeitsplätze vernichtet worden. Von einer Entschädigung habe ich nichts gehört. Zudem müssten bei einem funktionierenden Emissionshandel und einem schnelleren Ausbau des Ökostroms aus wirtschaftlichen Gründen die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Stattdessen aber wird auch noch das neu gebaute Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Betrieb gehen.

Die Kohleindustrie hat die Entwicklung der erneuerbaren Energien total verschlafen. Und das soll nun belohnt werden? Es fehlt der politische Mut, ohne Rücksicht auf die Kohlelobby nur die vorgesehenen sozialen Abfindungen von 310 Millionen Euro auszuzahlen. Es fehlt der politische Mut, die übrigen vier Milliarden Euro in einen wesentlich schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren.

Artur Borst, Tübingen

Kohle hat als Hauptgrundlage des Industriezeitalters eine so große sprachliche Bedeutung erlangt, dass das Wort "Geld" in der deutschen Alltagssprache oft durch "Kohle" ersetzt wird, und zwar meistens ganz unbewusst.

Immer noch hört man in Gesprächen Sätze wie "Mir fehlt die Kohle für die nächste Urlaubsreise" oder auch "Nun habe ich genug Kohle, um mir ein Haus zu bauen". Die Sprachforschung sollte einmal ergründen, wie es zu dieser Ausdrucksweise kam. Sie ist ja auf die Kohle beschränkt und schließt andere fossile Brenn- und Heizstoffe wie Erdöl oder Erdgas aus.

Mit dem nun beschlossenen Ausstieg aus der Kohleindustrie muss sie daher auch aus der Alltagssprache - zumindest als Ersatzbegriff für Geld - verschwinden, und ebenso als Symbol für Mangel oder Reichtum.

Prof. Dr. Wolfgang Haber,Freising-Weihenstephan

© SZ vom 04.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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