Julian Assange:Mut und Rechtsstaat

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Der Wikileaks-Gründer sitzt in einem britischen Gefängnis und fürchtet die Auslieferung an die USA. Einige Leser kritisieren die Zurückhaltung der meisten Politiker in Europa und fordern sie auf, dem Whistleblower zu helfen - bevor es zu spät ist.

Zu " Assange helfen" vom 18./19. Januar:

Ich hatte bei dem Artikel nicht den Eindruck, dass es um die Unterstützung von Pressefreiheit geht. Pressefreiheit ist ein hohes Gut, dass es zu verteidigen gilt. Davon fand ich nichts in dem Artikel, sondern unklare Beschreibungen der Situation. Assange ist kein Whistleblower, sondern ein Journalist, der eine Plattform geschaffen hat, die anderen Menschen die Möglichkeit gibt, Informationen, die sie haben, zu Menschenrechtsverletzungen, Betrügereien im großen Stil zu Lasten der Bevölkerung, Wahlmanipulation in den USA zum Beispiel, zu veröffentlichen, ohne dass es für sie Nachteile hat.

Es ist nachgewiesen, dass keine der vielen Veröffentlichungen von Wikileaks Unwahrheiten oder Lügen enthält. Man weiß, dass Whistleblower in den USA nicht in hohem Kurs stehen und dass das ganze Verfahren gegen Assange den Sinn hat, ihn mundtot zu machen. Assange hat das getan, was ein guter Journalist machen sollte, nämlich Informationen über Verbrechen zu veröffentlichen, die Bevölkerung zu informieren und Verbrecher ihrer gerechten Strafe zuzuführen.

Herr Prantl schreibt, dass Schweden das Verfahren wegen Vergewaltigung eingestellt hat. Diese Vergewaltigung gab es nicht, das ist auch bewiesen. Schweden hat dieses Verfahren dreimal eingestellt ... es diente eigentlich dazu, einen Grund für die Ausstellung eines Haftbefehl zu finden. Dann schreibt der Autor, Assange sei ein Narziss, unsympathisch. Das ist interessant, hat er ihn jemals kontaktiert, kennt er ihn persönlich?

Helga Lönze, Köln

"Assange ist kein Dreyfus" - so richtig, wie banal und herabsetzend - doch wie Dreyfus ist er Opfer brutalster staatlicher Willkür, seiner Rechte beraubt, in seiner körperlichen Unversehrtheit gefährdet und bräuchte dringend einen Emile Zola. Der Unterschied ist, dass Assange der Menschheit einen großen Dienst erwiesen hat.

Ferenc Kölcze, München

Heribert Prantl verteidigt in seinem Artikel den falschen Mann. Zwar ist es das gute Recht jedes Beschuldigten, so auch des Julian Assange, sich der Strafverfolgung (wohlgemerkt der schwedischen) zu entziehen; niemand muss an der eigenen Verurteilung mitwirken. Allerdings hat sich Assange zu diesem Zweck freiwillig in die ecuadorianische Botschaft begeben, anstatt sich einem rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahren zu stellen. Er hat sich somit selbstbestimmt in die Unfreiheit begeben, deren gesundheitliche Folgen er und seine Unterstützer nun beklagen.

Assange hat auch keineswegs Mitleid verdient. Ungeachtet etwaiger Strafvorwürfe, für die selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt, hat er in gravierend missbräuchlicher Weise in die US-Präsidentschaftswahl eingegriffen und so alle bereits durch die Trump-Administration angerichteten Schäden mit zu verantworten. Mit so einem Menschen muss man kein Mitleid haben.

Peter Sanne, Stockdorf

Da hat jemand ein Verbrechen begangen, um ein viel größeres aufzudecken. Gegen eine Auslieferung in die USA wäre dann nichts einzuwenden, wenn die dortigen Strafverfolgungsbehörden diesen wesentlichen Aspekt entsprechend berücksichtigen würden. Wenn jemand mit Drogen dealt, aber dem Staat hilft, der großen Dealer habhaft zu werden, bekommt er Schutz statt Strafe. Ist das, was amerikanische Soldaten zum Teil im Krieg verbrochen haben, weniger schlimm, als mit Drogen zu dealen? Oder liegt es daran, dass Angehörige des amerikanischen Militärs sakrosankt sind und lieber nicht zur Verantwortung gezogen werden? Offiziell wird als Grund für das harte Vorgehen genannt, dass die Sicherheit der betroffenen Personen und damit die Sicherheit des Staates auf dem Spiel stehe. Mit Verlaub, es geht hier um schwerste Verbrechen, und ein Rechtsstaat sollte alles daransetzen, dass diese Verbrechen auch aufgeklärt werden. Weil aus den genannten Gründen nicht davon auszugehen ist, dass Mr. Assange ein rechtsstaatliches Verfahren erwartet, müsste er, wenn die EU die immer wieder zitierten "europäischen Werte" für wichtig hält, aus der Auslieferungshaft entlassen werden. Auch auf die Gefahr hin, dass die USA in Zeiten einer Trump-Regierung dann ganz besonders irrationale Strafen verhängen. Dann müsste auch Mr. Snowden Asyl erhalten. Das wäre etwas ganz Neues im europäisch-amerikanischen Verhältnis, es wäre ein Zeichen von Stärke, wenn wir nicht nur an Sonn- und Festtagen das hohe Lied von Demokratie und Rechtsstaat schmettern.

Thomas Spiewok, Hanau

© SZ vom 06.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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