Holocaust:Mehr Mitgefühl für eine bessere Republik

Lesezeit: 2 min

Zum Gedenktag an die Judenvernichtung wünscht sich ein SZ-Leser eine breitere Erinnerungskultur. Gedacht werden solle auch anderer Nazi-Opfer wie psychisch Kranker und Homosexueller.

"Er ist wieder da" vom 26./27. Januar und "Fühlen lernen" vom 7. Januar:

"Er ist wieder da" ist ein ausgezeichneter Artikel, der ja schon in der Überschrift das Dilemma der Nachkriegsdemokratie zeigt. Meines Erachtens machen wir zwei Fehler in der Erinnerungskultur. Zum einen wird immer noch überwiegend der jüdischen Opfer gedacht, die zweifellos die größte Opfergruppe darstellen, aber eben bei Weitem nicht die einzige. Los ging es ja mit politisch Andersdenkenden, hinzu kamen Homosexuelle, psychisch Kranke, Behinderte, Sinti und Roma, sogenannte Wehrkraftzersetzer und, und, und ...

Und da im Artikel vom friedlichen Nebeneinander der Religionen die Rede ist, erlaube ich mir, hier auf eine Aussage meines buddhistischen Lehrers S. E. Dagyab Kyabgön Rinpoche hinzuweisen und die grundlegende buddhistische Praxis des Mitgefühls. Man soll nämlich nicht nur den Opfern der NS-Zeit Mitgefühl zuteilwerden lassen, sondern auch den Tätern, denn man kann ja nicht davon ausgehen, dass die Täter dauerhaftes Glück durch ihre grauenvollen Taten erlangt haben, im Gegenteil. Vielleicht würde dieses Mitgefühl für alle (Lebewesen) langfristig auch den Zustand unserer Republik ändern, dass man nicht mehr sagen müsste, "schon wieder, immer noch".

Karsten Neumann,Nürnberg

Er ist nicht wieder da, sondern war nie weg, nämlich der Wahn, sich selbst und anderen Menschen Eigenschaften wie ein Deutschsein, Französischsein, Englischsein, Christsein, Muslimsein und so weiter zuzuschreiben und auf der Grundlage dieser angeblich realen Unterschiede Feinde zu erschaffen. Im Dritten Reich war es der vermeintliche Wesensunterschied zwischen Menschen mit einem Deutschsein und solchen mit einem Jüdischsein, der Millionen das Leben kostete. Wenn diese Unterschiede tatsächlich existieren würden, wo findet man sie dann? Hat zum Beispiel jemand mit einem Deutschsein andere innere Organe als jemand mit einem Jüdischsein, Englischsein, Französischsein? Natürlich unterscheiden Menschen sich im Aussehen und Verhalten und sie haben auch unterschiedliche gesellschaftliche und kulturelle Konditionierungen erfahren, aber diese behaupteten Wesensunterschiede existieren nur im Kopf in Form von Glaubenssätzen, die man ungeprüft für wahr hält.

Dr. Jens Lipski, München

Es ist sehr erfreulich, dass Sie sich der Wiederholung der Serie "Holocaust" nach 40 Jahren so umfangreich gewidmet haben. Ich hoffe, dass viele Leserinnen und Leser die Gelegenheit wahrnehmen, sich die Serie anzusehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass die Ausstrahlung von WDR, NDR und SWR vorgenommen wird. Sehr erstaunt bin ich darüber, dass sich weder BR noch RBB und MDR daran beteiligen. Gerade die beiden letztgenannten Sender hätten jedoch meines Erachtens das größte Interesse daran zeigen müssen, waren deren Sendegebiete doch bei der Erstausstrahlung 1979 weitgehend abgehängt. Vielleicht hätte diese Serie den einen oder anderen veranlasst, seine Sichtweise zu überdenken und bestenfalls sogar sein Verhalten zu ändern, auch wenn es nur einige wenige Menschen gewesen wären. Schade, dass diese Möglichkeit nicht wahrgenommen wurde.

Rainer Kalbe, Hilden

© SZ vom 08.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: