Hauptschule:Anders leichter lernen

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Jüngst wurden im Buch Zwei Hauptschüler porträtiert, ihre Probleme und Erfolge in der Schule dargestellt, ihr Werdegang nacherzählt. Leser loben diese Geschichte. Einer, selbst Professor für Didaktik, dringt auf einen neuen Ansatz.

" Hauptschüler" vom 27./28. Oktober:

Der Bericht über die unterschiedlichen Karrieren macht betroffen, tendenziell wütend, aber auch zuversichtlich: Betroffen, weil es in unserer aufgeklärten und reichen Gesellschaft nicht gelingt (oder nicht gewollt ist), dass junge Menschen auch mit geringeren Fähigkeiten Selbstwert und soziale Anerkennung finden, dass sie von besser "Gebildeten" gehänselt und missachtet werden. Zuversichtlich können jene jungen Menschen machen, die durch Zufälle und/oder hilfreiche Personen und Institutionen ermutigt und gefördert worden sind. Das hätte auch in Hauptschulen besser gelingen können, wenn sie nicht zur "Restschule" abgewertet worden wäre.

Die Hoffnung, dass alle Schülerinnen und Schüler in einer gemeinsamen Schule individuell und kooperativ gefördert werden, hat sich politisch nicht erfüllt. Umso wichtiger ist es, dass wir in allen Schulen (in Hauptschulen wie Gymnasien) konsequent Abschied nehmen von der Vorstellung, dass alle im Gleichschritt (in Jahrgangsklassen) voranschreiten können und "eigentlich" die gleichen Lernziele (am besten das Abitur) erreichen sollten. Wir müssen stattdessen anerkennen, dass die Lernvoraussetzungen unterschiedlich sind und die Fähigkeiten sich sehr verschieden entwickeln. Deshalb sollten alle in offenen Formen des Lernens zu einem je eigenen Kompetenzprofil angeregt werden und in der Kooperation mit anderen erfahren können, dass sie gebraucht und anerkannt werden. Das ist sicher nicht "ganz einfach", aber wenn wir (auch durch die Schule) den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft (wieder) stärken wollen, ist ein entsprechendes Leitbild dringend geboten.

Jörg Schlömerkemper, Göttingen, Prof. i. R. für Schulpädagogik und Allg. Didaktik, Goethe-Universität, Frankfurt

Eine Perspektive

Danke für den Bericht von Tahir Chaudhry über eine Hauptschule, ihre Schüler und darüber, was aus ihnen geworden ist. Ich hatte nach dem Lesen das Gefühl, weit mehr zu dem Thema verstanden zu haben als nach den üblichen wissenschaftlichen Berichten und Analysen, aus denen häufig sehr klar und störend die eigene Bewertung des Verfassers, die zu häufig nach Schubladendenken riecht, spricht. Sehr eindrucksvoll und prägnant dagegen, was und wie Chaudhry aus eigener Erfahrung und vor allen Dingen der Erfahrung von ehemaligen Mitschülern schreibt. Wie er ganz offen und unbewertet auch Themen wie Mobbing anspricht und die Beteiligten beider Seiten sprechen lässt, wie sie das damals empfunden haben und rückblickend sehen. Und auch Antworten auf die Frage, was helfen könnte, um Hauptschülern eine Perspektive zu geben, kann man ableiten aus dem, was die Betroffenen rückblickend sagen.

Wolfgang Thoss, Hamburg

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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