Grundsteuer:Mieter und Hausbesitzer werden es büßen

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Die Berechnung der Grundsteuer ist vom Bundes­verfassungs­gericht als unzeitgemäß verworfen worden. Wie wird die Politik dieses Urteil umsetzen? Leser befürchten, dass es dabei nicht ganz mieterfreundlich zugehen wird.

Was hat ein Mieter von der Wertsteigerung? Neubaugebiet in Deutschland. (Foto: imago)

"Karlsruhe: Grundsteuer ist ungerecht", "Was das kostet" und "Einen Herkules, bitte!" vom 11. April:

Crux Gemeindefinanzierung

Das Bundesverfassungsgericht hat die jetzige Form der Grundsteuer verworfen. Es fragt sich aber, ob eine Grundsteuer überhaupt dem genügen kann, was wir heute unter "gerecht" verstehen.

Auch Heribert Prantls Ansicht, man könnte die Grundsteuer zur (teilweisen) Abschöpfung von Wertzuwächsen einsetzen, überzeugt zum einen deswegen nicht, weil die Besteuerung von Wertzuwächsen ins Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht gehört. Dort müsste lediglich die Steuerfreiheit nach zehn Jahren Haltefrist abgeschafft werden, wenn man Wertzuwächse vollständig besteuern will. Verluste in Abwanderungsgebieten wären dann aber auch steuermindernd. Zum anderen aber würde die Last des steigenden Werts im Vermietungsfall - der nicht gerade die Ausnahme ist - nicht vom Eigentümer getragen, sondern vom Mieter, der von dem Wertzuwachs gar nicht profitiert.

Das andere erhebliche Problem - gerade wenn eine Reform insgesamt aufkommensneutral sein soll - sind die erheblichen regionalen Unterschiede in den Grundstücks- und Gebäudewerten einerseits und die Abhängigkeit der Gemeinden von der Grundsteuer andererseits: München wird es leichtfallen, auch mit einem relativ niedrigen Grundsteuerhebesatz genug Einnahmen zu erzielen, um die Ausgaben zu decken oder den Bürgern Luxus zu bieten. Ostdeutsche Städte müssen ganz gewaltige Hebesätze nehmen und können trotzdem weder ihre Ausgaben decken noch ihren Bürgern etwas bieten. Das Ergebnis ist, dass die Eigentümer und Mieter in armen Städten bei gleichem Wohnwert höhere Steuern zahlen müssen - die Grundsteuer macht dann einen höheren Anteil an der Bruttomiete aus. Was daran gerecht ist und auch in Zukunft wäre, zumal gerade Familien mit größerem Raumbedarf mehr Grundsteuer zahlen müssen, erschließt sich nicht.

Ohne Hebesatzrecht können die Gemeinden mit geringerer Steuerkraft wegen geringeren Gewerbesteueraufkommens und geringerer Grundstückswerte sich aber bisher nicht finanzieren, sodass eine Grundsteuerreform eigentlich nur mit einer kompletten Reform der Finanzierung der Gemeinden Sinn hat. Denkbar wären ausschließlich Zuweisungen aus dem allgemeinen Steueraufkommen (Einkommen- und Umsatzsteuern) nach Einwohnerzahl und zentralörtlichen Aufgaben, aber ohne jede Abhängigkeit von der örtlichen, aufgrund der sozialen Verhältnisse sehr unterschiedlichen Steuerkraft. Es ist ja leider so, dass die Städte mit der geringsten Steuerkraft auch die höchsten Aufwendungen im Sozialbereich zu schultern haben mit der Konsequenz, dass alle anderen Leistungen, die die Bürger eigentlich für ihre Steuern erwarten könnten, auf ein Minimum zurückgefahren werden müssen.

Friedrich Franke, Gera

Jetzt ist die Legislative am Zug

Welche Vorstellungen hat eigentlich die verantwortliche Legislative, das sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, für eine Neuordnung der Grundsteuer? Werden die Nebenkosten für Mietwohnungen astronomische Dimensionen erreichen? Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. Und nicht vergessen werden darf, Immobilienkonzerne haben die legale Möglichkeit, die beim Kauf eines Grundstücks fällige Grunderwerbsteuer auf null zu setzen. Unsere gewählten Mandatsträger haben auch das verschlafen.

Bernd Marterer, Schopfheim

Abschaffung wäre konsequent

In Deutschland wohnt die überwiegende Zahl der Einwohner zur Miete. Doch alle zahlen Grundsteuer, deren Bemessung nach dem Karlsruher Urteil nicht einfacher werden wird. Wahrscheinlicher ist: Sie wird noch viel komplizierter und für die Betroffenen noch weniger durchschaubar. Konsequent wäre, die Grundsteuer abzuschaffen, die Mieter und Eigentümer zu entlasten und die bisher aus der Grundsteuer finanzierten Maßnahmen der Gemeinden aus den Einnahmen der stetig steigenden allgemeinen Steuern zu finanzieren. Der anhaltend hohe Verwaltungsaufwand für die Neugestaltung der Grundsteuer und deren Erhebung könnte eingespart werden. Und alle wären von einer komplizierten, kaum nachvollziehbaren Steuer befreit, deren Reform über Jahre auf der Agenda stand, aber bis heute nicht gelungen ist. Gegen die Abschaffung spricht nur die verkrustete Neigung der Finanzpolitik, von der Substanzsteuer nicht lassen zu wollen.

Hans Lafrenz, Hamburg

Politisches Versagen

Nach dem erwartbaren Urteil wäre es ja ganz hilfreich, erst einmal genauer zu wissen, was denn der zuständige Senat des Verfassungsgerichtes an der bisherigen Grundsteuerermittlung ganz konkret als verfassungswidrig festgestellt hat. Allein die seit 54 bzw. 83 Jahren unveränderte Erfassung der Grundsteuer-Messdaten kann ja wohl nicht per se als verfassungswidriges Kriterium (weil unzeitgemäß) gelten. Dass in diesen Zeiträumen infolge politischen Versagens durch teilweise spekulative Verwertungen von Bauerwartungs- zu Bauland die Grundstücks-/Immobilienpreise in prosperierenden Städten geradezu explodiert sind, ist allerdings eine unbestreitbare Tatsache. Primär sind hierfür aber die ungeregelten "Märkte" für die beklagte und nun obergerichtlich festgestellte Verfassungswidrigkeit verantwortlich.

Anstelle eines sozial gestalteten Boden- und Mietrechts für diese in der Tat himmelschreiende Ungerechtigkeit wurden bisher nahezu alle Kosten der Infrastruktur sozialisiert und die Gewinne der jeweiligen spekulativ tätigen Grundstückseigentümer privatisiert. Aufgrund des geforderten neuen Ermittlungsverfahrens werden vor allem die vielen Besitzer von Eigenheimen und Eigentumswohnungen die Dummen sein, denen ja die Wertsteigerung der Bodenpreise beim Erwerb ihrer Immobilie bereits "eingepreist" wurde, während die Verkäufer dagegen steuerfrei Kasse gemacht haben, und deren selbst genutzte Immobilien jetzt mit der Reform nochmals erheblich steuerlich belastet werden könnten. Auch nahezu alle Mieter, die die Höchstmietpreise für Wohnungen in den Ballungsräumen auch infolge der explodierenden Bodenpreise kaum mehr erwirtschaften können, werden somit mit der erwartbaren Grundsteuer-Erhöhung belastet. Weil die Grundsteuer - politisch der Wählerkaste der Besitzenden geschuldet - vollständig (sic!) auf die Mieter umgelegt werden kann.

Eine Wertsteigerung des Grundstücks nützt alleine dem Eigentümer. Wenn die Karten bei der Grundstücksbesteuerung jetzt also neu gemischt werden müssen, um Ungerechtigkeiten zwischen Grundeigentümern zu minimieren, dann muss ebenso diese Ungerechtigkeit beseitigt werden. Bei allen bisher kursierenden Reformmodellen fehlt dieser Ansatz ebenfalls gänzlich.

Bernhard Schubert, München

Vorausgeeilt

Welch ein vorauseilender Gehorsam! Die Tinte unter dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist noch nicht trocken, da weiß Bundesfinanzminister Olaf Scholz schon, dass es keine Steuererhöhungen geben darf. Wieso ist dann die heutige Grundsteuer grundgesetzwidrig?

Heribert Heck, Neuss

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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