Fussball:Über Sinn und Stil einer Ausmusterung

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Die Art und Weise, wie Bundestrainer Löw mit den drei FC-Bayern-Spielern und Weltmeistern von 2014 Boateng, Hummels und Müller umgegangen ist, beschäftigt viele SZ-Leser. Nicht alle sind empört, einige zeigen Verständnis.

Zu "Rausgekloppt" vom 14. März, "Das Gespür des Stacheltiers" vom 9./10. März und "Abschied von Rio" vom 6. März:

Wertschätzung sieht anders aus

Der nette Herr Löw sollte mal ein Seminar in Personalführung besuchen. Da erklärt er überfallartig den Spielern Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng deren Aus in der Nationalelf. Wieder einmal zeigt er, dass er von Personalführung keine Ahnung hat, schon bei Özil und Gündoğan bewiesen. Und sein Kumpel Bierhoff macht das alles mit, ganz zu schweigen von Reinhard Grindel, dem schon länger nachgesagt wird, dass das Amt für ihn eine Nummer zu groß ist. Kein Zweifel, eine Neuausrichtung der Nationalelf ist geboten, möglicherweise sind auch diese drei Spieler aktuell nicht auf dem Niveau, dass sie einen festen Platz in der Elf haben können. Ob es klug ist, sie gänzlich abzuservieren, können nur Vergleiche mit anderen Spielern zeigen. In jedem Fall macht man es nicht so. Wertschätzung sieht anders aus. Mein Fazit: Herren Löw, Bierhoff, Grindel sollten sich verabschieden und anderen Platz machen.

Reinhard Matthies, Pinneberg

Bei der WM 2018 noch mittendrin: Kürzlich abservierte Fußball-Nationalspieler (v. li.) Boateng, Hummels und Müller. (Foto: AFP)

Sündenböcke für WM-Aus 2018

Die Ausbootung von Hummels, Boateng und Müller ist sowohl in der Form als auch in der Sache ein Skandal, und man sollte das auch so benennen. Der Bankrotteur des letzten Weltmeisterschaftsturniers hat Sündenböcke gefunden. Hätte Joachim Löw Charakter gezeigt, wäre er nach dem Debakel gegen Südkorea 2018 unverzüglich zurückgetreten. Aber Charakter zu zeigen, ist nicht des Herrn Löws Sache. Der Mann hat eine viel zu kritiklose, wohlwollende Presse. Nicht die bewussten drei sollten abgelöst werden, sondern Herr Löw sollte seinen Posten räumen. Von Herrn Grindel und Co. ist dafür nicht die Initiative zu erwarten, und von sich aus wird Herr Löw nicht gehen.

Oskar Faus, Dudenhofen

Schlechte Umgangsformen

Das am 24. März bevorstehende erste EM-Qualifikationsspiel gegen die Niederlande wird nun zu einem echten Gradmesser. Ausgerechnet am Faschingsdienstag schloss Bundestrainer Löw unter ausdrücklicher Billigung des mächtigen DFB die verdienten drei Münchner Alphatiere Boateng, Hummels und Müller völlig von weiteren Länderspieleinsätzen aus. Unvermutet zumindest, was den Zeitpunkt betrifft. Besser angestanden hätte es den Verantwortlichen, den drei Weltmeistern von 2014 einen eigenständigen Rücktritt unter branchenüblichem Abschiedsspiel nahezulegen. Das würde zumindest den Marktwert dieser verdienten Profis nicht schmälern, wenn es schon an vorbildlichen Umgangsformen fehlt.

Jochen Freihold, Berlin

In anderen Jobs läuft es auch so

Unabhängig von der oft erbrachten Leistung und auch dem Spaß, den uns Fußballfans das jetzt ausgemusterte Löw-Trio bereitet hat, sollten wir doch alle wieder auf den Boden der bundesrepublikanischen Wirklichkeit zurückkommen: Was diesen drei Balltretern jetzt passiert ist, erleben unzählige Frauen und Männer der arbeitenden Bevölkerung, wenn sie nach nicht mehr erwünschter Leistung ausgemustert, entsorgt, entlassen werden - und zwar ohne Millionenpolster, liebevolle Fangemeinde und Intervention des Kaisers. Im besten Fall gibt's einen Blumenstrauß.

Gerlinde Gropper, Aschau i. Chiemgau

Zu große Bühne für Fußballer

Dass den fußballernden Möchtegern-Schopenhauers wieder eine solche mediale Bühne zuteil wird, ist unerträglich. Da faseln Sportler, die obszön viel Geld bekommen (keineswegs: verdienen), von Stil, Wertschätzung und Ähnlichem. Dieselben Menschen, die trotz vieler Kameras unsportlich Schwalben produzieren und dann noch verteidigen, 90 Minuten lang auf den Rasen (sorry) rotzen, Bälle wegtreten, Schiedsrichter regelwidrig angehen und vieles andere mehr, das wenig als Vorbild und zur Wertschätzung taugt. Dass die Leistung teilweise schon lange nicht mehr für die Besten reicht, dass sie noch oft wider das Leistungsprinzip aufgestellt worden sind, zählt alles nicht, wenn sie glauben, beleidigt ihr "Schicksal" in den privaten Medien bemitleiden lassen zu müssen. Hätten sie nur ein Hundertstel des Anstands, dessen Fehlen sie anderen vorschnell vorwerfen: diese ganze Nabelschau fände nie statt. Dieser Fußball und alle seine überbezahlten Protagonisten nehmen sich viel zu wichtig.

Ralph Damm, Olching

Der Fisch stinkt vom Kopf her

Man muss Klaus Hoeltzenbein zu seinem scharfsinnigen Beitrag "Abschied von Rio" gratulieren. Leider hat er bei seiner Analyse nicht den letzten Schritt unternommen, der auf der Erkenntnis fußt, dass der Fisch vom Kopf her stinkt, und klargestellt, dass eine echte Erneuerung auch einen anderen Bundestrainer erfordert hätte. Tatsächlich zeigt sich die "sportliche" Qualität (durchaus zweideutig gemeint) des Herrn Bundestrainers in der Weise, wie er "Verjüngung" betreibt. Und geht man noch einen Schritt zurück, so könnte auch die verknöcherte Struktur des DFB von einer Verjüngungskur nur profitieren.

Peter Butzbach, Köln

Wehleidigkeit ist fehl am Platz

Man versetze sich in die Position von Löw: Wenn er zu der Einsicht kommt, dass Boateng, Hummels und Müller einem Neuaufbau der Nationalmannschaft im Wege stehen - möglicherweise nicht nur aus spielerischen/sportlichen Gründen, sondern vielleicht auch wegen der Machtposition, die sie auf Grund ihrer Anciennität, ihrer früheren Erfolge und ihrer Klubzugehörigkeit beanspruchen - was soll er dann tun? In Verhandlungen mit ihnen und ihrem Management eintreten? Ihren Partnerinnen Blumen schicken? Ein Symposium unter Beteiligung des Präsidiums von Bayern München abhalten? Er hat - ausnahmsweise einmal - richtig und konsequent gehandelt. Die Wehleidigkeit der drei Multimillionäre ist fehl am Platze.

Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann, Berlin

Erkenntnis ein Jahr zu spät

"2019 ist das Jahr des Neubeginns." Diese Erkenntnis kommt Joachim Löw genau ein Jahr zu spät. Schon damals zeigte sich, dass für Müller, Boateng, Hummels und andere ältere Herren der Zenit schon längst überschritten war. Wir wären heute schon weiter, wenn Löw im März 2018 nur einmal seine Beratungsresistenz hätte überwinden können. Sachgerechte Kritik gab es damals schon.

Artur Borst, Tübingen

Kritik wäre immer gekommen

Wie jeder ausgebildete und erfahrene Trainer schob Joachim Löw die Schuld für das frühe WM-Aus nicht seinen Spielern zu, was den Verzicht darauf einschloss, einzelne Spieler unmittelbar nach der WM auszumustern. In Übereinstimmung mit dem Palaver in manchen Medien, die die sportliche Leistungsfähigkeit von Boateng, Hummels, Müller überwiegend negativ bewertete, entließ Löw die drei Spieler (im Blick auf die Qualifikation zur Europameisterschaft) nun aus dem Kader. Unter allen denkbaren Umständen hätte diese Ausmusterung bei den Betroffenen, auch ihren Sympathisanten und Klubs, zu Protesten geführt, sodass sich die aus den Medien kommende Kritik als unbegründet erweist.

Klaus Günther, Bonn

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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