Fußball:Türkei gegen Deutschland

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Mesut Özils und İlkay Gündoğans gemeinsamer Fototermin mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan hat viele Fans der deutschen National­mannschaft gründlich enttäuscht. Da gibt es auch nichts schönzureden.

SZ-Zeichnung: Jan Rieckhoff (Foto: Jan Rieckhoff)

"So ist Deutschland" und "Menschen machen Fehler" vom 16. Mai, "Echte deutsche Profis" vom 15. Mai:

Klug kalkuliertes Marketing

Der Betrachtung zu den Herren Özil und Gündogan fehlt der wichtigste Aspekt: der Hinweis auf das Geld aus den Werbeverträgen des DFB. Mit Bezug auf die Fußball-WM in Russland hat der DFB seine Fußball-Helden an die Werbewirtschaft verkauft. Da darf niemand verloren gehen. Sportinvaliden werden bis zum Anpfiff durchgeschleppt. Und Spieler mit nicht-deutschen Wurzeln sind dabei zusätzlich unentbehrlich. Bei den Spielern Özil und Gündogan muss man sich daran erinnern, dass die große Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken Herrn Erdoğan gewählt hat. Der Fototermin mit Herrn Erdoğan war also kein politischer Fehltritt politisch naiver Fußballer, sondern ein klug kalkuliertes Stück Marketing zum Nutzen aller Beteiligten.

Jürgen Grimming, Berlin

Zurücktreten, bitte

Die finanziellen Vorteile als deutsche Nationalspieler wollen die beiden gerne mitnehmen, angekommen im deutschen Geist sind sie wohl nicht; hier geboren und aufgewachsen zu sein reicht dafür nicht aus. Das hat der Eklat gezeigt. Mit Heimatromantik sollte dies nicht erklärt und verklärt werden. Wenn diese Spieler genügend Rückgrat besäßen, gäbe es nur eines: aus der deutschen Nationalmannschaft zurücktreten. Dass Bundestrainer Löw derselben Marketingfirma verbunden ist, sollte seine Aufgabe einer Spieleraufstellung nicht beeinflussen. Hier gibt es nichts schönzureden. Auch nicht von Bundespräsident Steinmeier.

Brigitte Broßmann, Neubiberg

Nicht demokratisch

Die Aktion geht gar nicht! Nicht weil Erdoğan der türkische Präsident ist, sondern weil er einen demokratischen Staat zur Diktatur umwandelt und Menschen in der Türkei verfolgt werden, die politisch anderer Meinung sind oder als Journalisten frei berichten möchten. Wer sich als deutscher Sportler neben Figuren wie Erdoğan und Konsorten stellt und sich quasi zu deren Despotismus und Imperialismus bekennt, der beweist, dass es mit seinem demokratischen Bewusstsein nicht weit her sein kann.

Markus Meister, Mönchengladbach

Zeit aufzuhören

Wenn ein Oliver Bierhoff wie auch ein Joachim Löw und die gesamten Vorstände des DFB dies abtun mit der Aussage: Den beiden war die Tragweite ihres Handelns nicht bewusst, dann muss man sich fragen, ob man es hier mit Jugendlichen zu tun hat oder mit hochbezahlten, erwachsenen Fußballprofis. Wenn man die Realität zu den Vorkommnissen verloren hat, dann ist es an der Zeit aufzuhören. Es kann nicht sein, dass deutsche Nationalspieler hier den DFB als Marionette benutzen und dem deutschen Fan eine Ohrfeige verpassen.

Mike Schabel, Tamm

Spiele statt Rituale

Dass ein Mann mit türkischen Wurzeln nicht uneingeschränkt deutsch denkt und fühlt, ist verständlich und normal. Dass er aber den deutschen Fußball oder gar Deutschland repräsentieren soll, ist eine Zumutung. Besteht man auf dieser Einstellung, sollte man ihn von diesem Konflikt befreien und nicht in der Nationalmannschaft spielen lassen. Eine Alternative wäre, den ganzen Schamott an nationalen Ritualen wie Hymne, Wimpelaustausch, Fahnen und dergleichen abzuschaffen. Das sind ohnehin nur Projektionsflächen für nationalistisches Gedankengut. Spielt ordentlichen und fairen Fußball - das reicht.

Dr. Hans-Günter Melchior, Neuried

Raus aus dem Nationalteam

Wer einen Despoten ehrt, ist des deutschen Nationaltrikots nicht wert. So einfach ist das. Die hier aufgewachsenen Spieler Özil und Gündogan dienen sich dem Präsidenten ihres Herkunftslandes an und stimmen symbolisch mit der Trikotübergabe dessen Politik der Verfolgung Andersdenkender zu. Das war kein unüberlegtes Handeln. Ihnen war bewusst, dass sie mit dieser Geste in Deutschland lebende Türken dazu auffordern, Erdoğan zu wählen, damit dieser seine antidemokratische Politik weiter umsetzen kann. Solche Spieler gehören nicht ins deutsche Nationalteam.

Nico Wallrath, Erkrath

Luft nach oben

Zu glauben, eine Fußballmannschaft, in der jeder Spieler im Schnitt fünf Millionen Euro und mehr verdient, könne für ein weltoffenes, multikulturelles Deutschland stehen, erscheint mir sehr naiv. Die Realität sieht leider so aus, dass die AfD mit Herrn Gauland leider die stärkste Oppositionspartei stellt und man kann nur hoffen, dass es nicht schlimmer kommt. Auch die etablierte Szene, in der gern über die Bereicherung von Multikulti schwadroniert wird, sollte sich mal fragen, ob und wie viele Bürger mit Migrationsvorgeschichte bei Feiern eingeladen werden. Wenn diese Fragen überwiegend mit Ja beantwortet werden, ist das ein wirklicher Schritt zur Weltoffenheit und Multikulti, aber da scheint mir viel Luft nach oben.

Werner Jünemann, Göttingen

Respekt, Herr Can

Chance für ein Sommermärchen schon jetzt verpasst! Der Fußball hat sich mit der Nominierung von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mal wieder von seiner wahren Geschäftsidee gezeigt. Die Werte des deutschen Fußballs sind "Titelgewinn um jeden Preis" und "Gute Leistung kann sich Moral sparen". Wenn Nationalspieler die Werte eines Landes vertreten (Löws Worte), dann haben wir entweder die falschen Werte oder die falschen Nationalspieler? Ich schäme mich jedenfalls für dieses Auftreten "deutscher Spieler" und werde bei der Nationalhymne an jene denken, die in türkischen Gefängnissen zu Unrecht ohne Prozess ausharren und sich vielleicht am deutschen Spiel bestimmter Spieler die Wut kaum verkneifen können. Respekt Herr Emre Can, Sie haben die Einladung von Herrn Erdoğan abgelehnt und damit ein Zeichen für die Mitverantwortung des Sports für Demokratie und Menschenrechte gesetzt. Ein starkes Signal für die Mitgliedschaft in "meinem Nationalteam".

Peter Kunze, Paderborn

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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