Fall Maaßen:Schützende Hand

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Dass Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen nun von Bundesinnenminister Horst Seehofer zum Staatssekretär befördert wird, lässt viele Leser fassungslos zurück. Andere verteidigen die beiden.

" Maaßen wird abgelöst - und befördert" vom 19. September, " Staatsschauspieler unter sich" vom 14. September, " Dr. M. und wie er die Welt sieht" vom 13. September sowie weitere Berichte zum Fall Hans-Georg Maaßen:

Hitlergruß? Ignoriert

Aufgabe des Verfassungsschutzes sollte es eigentlich sein, verfassungsfeindliches Verhalten aufzudecken und dessen Akteure zur Rechenschaft zu ziehen. Hans-Georg Maaßen tut genau das Gegenteil: Er verharmlost Angriffe Rechtsextremer auf Menschen anderer Hautfarbe, ignoriert Hitlergruß und Gegröle nationalsozialistischer Parolen. Er stellt die Echtheit vorliegender Beweise in Frage und äußert den Verdacht, es handele sich um eine Fälschung. Alles im Einklang mit dem sächsischen Ministerpräsidenten. Nur Maaßens oberster Dienstherr, Innenminister Seehofer, hält schützend seine Hand über ihn und spricht ihm sein volles Vertrauen aus. Wie könnte es auch anders sein - bekanntlich hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus.

Claus Lehner, München

Dienstpflichten verletzt

Diese Regierung ist nicht mehr ernst zu nehmen. Von Beginn an streiten sich die Koalitionspartner um Migration, die ständig rückläufig ist, statt sich um Kernprobleme der Bevölkerung zu kümmern. Jetzt befördern sie einen Beamten, der seine Dienstpflichten verletzt hat. Man kann nur bedauern, dass man nicht häufiger wählen (abwählen) kann.

Rolf Borrmann, Grevenbroich

Problem Seehofer

Nein, so sehen Konsequenzen für einen Verfassungsschutzchef, der in den vergangenen drei Wochen immer wieder Sympathien für Rechtsextreme gezeigt hat und dessen Fehlerquote in "seinem" Amt beachtlich ist, nicht aus. Als Sozialdemokrat bin ich der Auffassung, dass die Partei einen riesigen Fehler macht, wenn sie sich jetzt mit der Entlassung Maaßens und seiner gleichzeitigen Beförderung zum Staatssekretär im Innenministerium zufrieden gibt. Jeder Beschäftigte im öffentlichen Dienst, der sich so viele Fehlentscheidungen und Pannen wie Maaßen leistet, würde mit einem Disziplinarverfahren rechnen müssen und würde für seine offenkundige Unfähigkeit nicht noch befördert. Der einzige wirkliche Gewinner ist der Verfassungsschutzpräsident selbst; denn er wird ein viel stattlicheres Salär nach Hause tragen als in seiner jetzigen Funktion.

Das Problem Maaßen ist natürlich auch ein Problem Horst Seehofer. Solange Seehofer noch Bundesinnenminister ist, der jetzt einen Staatssekretär bestellt hat, der zumindest den Anschein erweckt, als kollaboriere er mit den Rechten, ist die gesamte Bundesregierung unglaubwürdig im Kampf gegen die braunen Feinde der Demokratie, die in der Geschichte dieser Republik noch nie so dreist aufgetreten sind wie im deutschen Spätsommer des Jahres 2018. Das Problem heißt Maaßen und Seehofer und könnte nur durch einen mutigen Schritt der Kanzlerin, nämlich durch die Entlassung Horst Seehofers, einer Lösung zugeführt werden. Und die Koalition wird nicht zur Ruhe kommen, solange der CSU-Vorsitzende weiterhin dieser Regierung angehört. Das in höchstem Maße Beunruhigende an der derzeitigen Entwicklung ist, dass sich einmal wieder die Rechten die Hände reiben können und das erschütterte Vertrauen in den Rechtsstaat für ihre perfiden Zwecke nutzen werden.

Manfred Kirsch, Neuwied

Weggelobt, aber befördert?

Ich bin gespannt, wie die Regierung diese Entscheidung ihren Wählern verkaufen will. Dass diese Entscheidung Wasser auf die Mühlen derjenigen ist, die mit der gegenwärtigen Politik nichts anfangen können (Stichwort: Politikverdrossenheit), ist klar. Übrigens: Früher mal gab es den Begriff des "Weglobens", wenn man einen unangenehmen Mitarbeiter loswerden wollte. Mir ist jedoch nicht bekannt, ob dies mit einer Beförderung verbunden war.

Erich Würth, München

Fauler Apfel

Hans-Georg Maaßen hätte sich zu dem Video, über das er gestolpert ist, gar nicht äußern müssen. Es war herzlich wenig darauf zu sehen, was man zudem recht unterschiedlich interpretieren kann. Leider ist es bei Politikern so, dass sie meinen, wenn ihnen ein Mikrofon vor den Mund gehalten wird, dass sie unbedingt etwas von sich geben müssen. Die Folge war viel Lärm um recht wenig. Die Entscheidung, die am Ende des Gezeters herausgekommen ist, hat die Qualität eines faulen Apfels, in den man nur mit Widerwillen hineinbeißt. Erkenntnis: Die Bundeskanzlerin, die über dieser Entscheidung mit ihrer mehr ratlosen als segnenden Hand schwebt, hat ihren längst überfälligen Ruhestand mehr als verdient. Die Entscheidung, die die Luft gereinigt hätte, hat sie nicht getroffen. Leider hat sowohl die CDU als auch die ganze deutsche Nation ein Problem: Es ist keine Persönlichkeit in Sicht, welche die Nachfolge der Kanzlerin antreten könnte.

Otfried Schrot, Ronnenberg

Sündenbock für Politikfehler

Glaubt Angela Merkel tatsächlich, dass die Bevölkerung nicht merkt, dass mit Hans-Georg Maaßen wieder einmal nur ein neuer Sündenbock dafür gefunden wurde, dass die von ihr angeführte Integrationspolitik maßlos gescheitert ist? Für all diejenigen, die noch immer daran glauben, dass wir mit unserer Integrationspolitik auf dem richtigen Weg sind, ist es zumindest ein willkommenes Argument, um das so dringend notwendige Handeln weiterhin hinauszuzögern.

Hans Schwankl, Leer

Tendenz: rechts halb so schlimm

Ein brillanter Kopf muss man offenbar nicht sein, um es im deutschen Staatsapparat weit nach oben zu schaffen. Eine gesunde Mischung aus Chuzpe (die gerne mal mit Scharfsinn verwechselt wird) und Arroganz genügt anscheinend - die Parallele zwischen den karrierefördernden Qualitäten des Dr. M. und denen von Wirtschaftsmanagern wie Dr. Ackermann oder Dr. Middelhoff drängt sich auf.

Der feine Herr M. hat sich schon einmal nach dem gleichen Muster blamiert wie im aktuellen Fall. Aus der Tatsache, dass keine Beweise für die Integrität von Edward Snowden vorlagen, schloss Dr. Maaßen messerscharf, Snowden sei wohl ein russischer Spion. Er bezichtigte Snowden damit immerhin eines Verbrechens, auf das in dessen US-amerikanischer Heimat die Todesstrafe steht. Irgend einen konkreten Beleg für seine Behauptung konnte er auf Nachfrage nicht liefern. Die Fehlleistungen des Dr. M. haben immer dieselbe politische Tendenz: links ist verdächtig, rechts ist halb so schlimm.

Karl Heinz Siber, Sachsenheim

Altbekanntes Geschacher

Mit solchen Rochaden fördert die Politik (hier die Bundesregierung) doch nur die Politikverdrossenheit der Bürger. Wie soll der normale Mensch der ganzen Aktion denn etwas Positives abgewinnen können? Minderleistung und das anschließende politische Geschacher im altbekannten Weiter-so (was nach der Wahl nicht mehr so sein sollte) mit keinerlei schmerzhaften Konsequenzen (ganz im Gegenteil) soll die Lösung sein?

Ralf Protzel, Bratislava/Slowakei

Schlag nach bei Sokrates

Die Diskussion über die Echtheit des Videos von Chemnitz zeigt erneut eindringlich, wie es auch in unserem Zeitalter um das Verhältnis von Wahrheit und Meinung bestellt ist. Selbst 2500 Jahre altes philosophisches Denken hat diesen uralten Konflikt bei Politikern und Wählern bis heute nicht wirklich gelöst. Weiterhin scheint jeder von seiner eigenen Wahrheit überzeugt. Die schnelle Verfügbarkeit von Informationen im Internet verstärkt sogar noch die Illusion des Wissens und Verstehens. Dabei hat Sokrates doch das Motto vorgegeben: "Ich weiß, dass ich nicht weiß." Da der Einzelne kaum imstande ist, allein das Wahre zu finden, bleibt es meines Erachtens weiterhin bei der Notwendigkeit der Verwirklichung der platonischen These von der gemeinsam erkannten Wahrheit mittels der Dialektik. Die Öffentlichkeit sollte wiederkehrend aufgeklärt werden.

Hans Stein, Poing

Integrer Mensch

Es fällt auf, dass niemand nach den Belegen fragt, die Angela Merkel für ihre Behauptung einer Menschenjagd in Chemnitz hat. Ich kenne nur das Video, in dem einige Personen hintereinander herlaufen, nicht ungewöhnlich für eine kontroverse Demo. Irgendwelche Schlagwerkzeuge etc. sind nicht erkennbar. Maaßen befindet sich auf einer Linie mit Herrn Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaats Sachsen. Warum geht man nicht auf den los? Und warum genießt Merkel nach ihren diversen Fehlleistungen in der Migrationsfrage immer noch die Freiheit zu befinden, wie sich ein Sachverhalt zugetragen hat?

Ich halte Hans-Georg Maaßen für einen integren Menschen, dem man allenfalls seinen Versuch vorwerfen kann, etwas Dampf aus dem von Merkel aus taktischen Gründen ohne jeden Beleg völlig überheizten Topf abzulassen.

Dr. Günter Ihl, Grünwald

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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