Diversität:,,Weil wir Frauen es eben wissen"

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Eine Leserin erklärt, warum nur betroffene Gruppen die jeweilige Diskriminierung erkennen könnten. Ein anderer Schreiber kritisiert, bestimmte Minderheiten würden in Quotenfragen bevorzugt.

Zu " Verfassungswidrig" vom 5./6. Dezember:

Als freiheitsliebender Demokrat kann man Tonio Walter für seine Erinnerung nur dankbar sein. Seine verfassungsrechtliche Einordnung ist so evident wichtig, dass man sich eigentlich nur fragen kann, wieso die von ihm zu Recht angemahnte Debatte über den zu beobachtenden Wertewandel nicht stattfindet. Wenn man es überspitzt formulieren will, könnte es sich hier um eine konsequente Fortsetzung der bereits von Nietzsche konstatierten Sklavenmoral handeln. Etwas weniger pointiert liegt es nahe, ein schlechtes Gewissen der schweigenden Mehrheit einer Wohlstandsgesellschaft am Werke zu sehen, welches es verhindert, die von Tonio Walter aufgezeigten Inkonsistenzen eines nicht hinreichend reflektierten Gutmenschentums zu erkennen.

Auffällig ist, dass Quotenfreunde nur bestimmten Minderheiten ihre besondere Fürsorge zukommen lassen. Die durch Artikel 3 unseres Grundgesetzes gewährleistete Gleichberechtigung ist auch insoweit der gerechtere Ansatz, als er nicht willkürlich bestimmte Gruppen auszeichnet. Interessant dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass Deutschland die frühere Ungleichbehandlung zwischen den statistisch als fortschrittlich geltenden Protestanten und den eher zurückgebliebenen Katholiken ohne jede Quotenregelung überwunden hat, einfach dadurch, dass sich solche Stereotypen als das erwiesen haben was sie immer sind: kollektive Zuschreibungen individuell stets falscher Vorurteile.

Markus Miederhoff, München

Tonio Walter stellt die Frage, "Woher weißt du, dass Frauen diskriminiert werden?". Die Antwort darauf müsste aber nicht lauten "Weil sie unterrepräsentiert sind", sondern ganz einfach: Weil wir Frauen es eben wissen. Nur eine Frau kann die Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts nachempfinden, nur Dunkelhäutige kennen die Diskriminierung, die auf ihrer Hautfarbe gründet, nur Zugehörige der LGBTQ-Community erleben die Diskriminierung hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung.

Warum gibt es nun überhaupt die Frauenquote? Weil man gemerkt hat, dass Artikel 3 im Grundgesetz einfach nicht ausreicht. Der Autor beschreibt die vielen Fördermaßnahmen hinsichtlich Kinderbetreuung etc., die den Frauen den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtern sollen. Diese waren sicher wichtig und teils auch erfolgreich, doch wir alle wissen, dass in den meisten Haushalten Kinder- und Hausaufgabenbetreuung, Kochen, Waschen, Putzen etc. zum Großteil immer noch in den Aufgabenbereich der Frau fallen. Deshalb ist es an der Zeit, noch mehr für die Gleichberechtigung zu tun; die Frauenquote kann dafür durchaus ein Anstoß sein, dass sich im Denken und den Träumen junger Frauen eine realisierbare Zukunftsperspektive entwickelt. Ohne Vorbilder geht es nun mal nicht! Dann wird in einigen Jahren eine Frauenquote gar nicht mehr nötig sein.

Theresa Oßwald, Mainz

© SZ vom 22.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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