Bundeswehr:Für Volk und Welt

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Mehr Auslandseinsätze für die Bundeswehr? Öffentliche Gelöbnisse? Die neuen politischen Prioritäten aus dem Verteidigungsministerium und das Auftreten deutscher Soldaten zum Schwur vor dem Reichstag ist manchen Lesern nicht geheuer.

SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: N/A)

Zu " Der Demokratie dienen" vom 13. November, " Im großen Spiel" vom 8. November sowie zu " Bundeswehr soll öfter ins Ausland" und zum Interview " Die Sicherheit in der Sahelzone ist Teil unserer Sicherheit" vom 7. November:

Die Rüstungsindustrie freut sich

Frau Kramp-Karrenbauer greift im Interview in der SZ die alte Leerformel von der "Verantwortung Deutschlands" wieder auf, mit der jeder die Vorstellungen verbinden kann, die ihm gefallen. Wie in der Politik üblich, denkt die Verteidigungsministerin bei "Verantwortung" an militärische Lösungen für politische Konflikte. Die Rüstungsindustrie wird es freuen.

Die Mehrheit der Deutschen ist jedoch im Gegensatz dazu meines Erachtens davon überzeugt, dass diese Konflikte nicht militärisch bewältigt werden können, sondern politisch gelöst werden müssen. Beispiel "offene Handelswege": Die deutsche Rüstungsindustrie hilft derzeit durch Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate nach Kräften, den Jemen vollends ins Chaos zu stürzen und dort einen weiteren sogenannten failed state zu schaffen. Die Handelswege durch den Golf von Aden (auf der afrikanischen Seite gegenüber liegt Somalia) werden dadurch garantiert nicht sicherer!

Beispiel "internationales Umfeld beschützen und gestalten, das unseren Werten und Interessen gemäß ist": Würde es den in Feiertagsreden beschworenen Werten nicht besser entsprechen, wenn die vielen Milliarden für vorgesehene Rüstungsausgaben in Afrikas Gesundheitswesen, Bildungswesen und die Förderung der afrikanischen Wirtschaft, insbesondere der Landwirtschaft fließen würden? Damit würde Drogenhandel und Terrorismus das Wasser abgegraben und die Migration verringert.

Klaus Ried, München

Wann kommt der Rücktritt?

Diesen sehnsüchtigen Wunsch formulierte bereits 2001 Peter Struck, der bis 2005 Verteidigungsminister war, mit seiner Aussage: "Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt." Seit 2001 bis heute sind Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan stationiert. Experten haben ausgerechnet, dass bei dem rollierenden System bis heute bereits 90 000 Soldaten der Bundeswehr eine Afghanistan-Erfahrung besitzen. AKK hat sicher nicht vergessen, dass der damalige Bundespräsident Gauck 2014 auf der Sicherheitskonferenz in München fragte: "Tun wir, was wir tun könnten, um unsere Nachbarschaft zu stabilisieren, im Osten wie in Afrika?" Im Osten, in Afghanistan, steht die Bundeswehr seit 18 Jahren. Gauck war dies vielleicht zu wenig. Deshalb fügte er Afrika hinzu.

Seit sechs Jahren ist die Bundeswehr in Mali im Einsatz. AKK ist dies offensichtlich ebenfalls zu wenig. Im Interview mit der SZ äußerte sie: "Die Sicherheit in der Sahelzone ist Teil unserer eigenen Sicherheit." Gauck würde einen Einsatz in der Sahelzone sicher nicht ablehnen, gehört doch diese Region zu Afrika. Und wenn AKK, wie man liest, weiterhin sagt: "Ob Seewege freigehalten werden oder nicht - davor können wir eben nicht die Augen verschließen und sagen: Da soll sich drum kümmern, wer will, uns geht das nichts an." So denkt sie bestimmt nicht an den Bundespräsidenten Horst Köhler, der 2010 in Afghanistan sagte, dass "im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen, zum Beispiel bei freien Handelswegen, zu wahren". Wenige Tage später trat er angesichts der heftigen öffentlichen Empörung mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Bundespräsident zurück. Und wann kommt nach diesem Interview der Rücktritt von AKK als Verteidigungsministerin?

József Bogár, Würzburg

Gelöbnis auf Abstand zum Volk

Bizarrer kann man sich die Situation gar nicht vorstellen, wenn man die SZ vom Mittwoch, 13. November, in den Händen hält. Da werden junge Menschen eingeschworen, ein Volk - welches man mit 950 Polizisten von ihnen fernhält - zu verteidigen, mit Waffen, die jedem Pazifisten zur Genugtuung gereichen würden.

Volker Kimstädt, Gangkofen

Geschichtsvergessene Politiker

Jetzt kommt die Verteidigungsministerin und fordert mehr Bundeswehreinsätze weltweit. Man fühlt sich zurückversetzt in jene glorreichen Zeiten, in denen ein Uniformenkasper glaubte, mit seinen preußischen Militaristen mehr Einfluss in der Welt zu bekommen. Man sagt immer, man müsse seine Geschichte kennen, damit sie sich nicht wiederholt. Diesem Wort folgend drängt sich mir die Vorstellung auf, einige unserer Politiker hätten niemals Geschichtsunterricht genossen. Wäre es da nicht sinnvoll, diese Politiker träten zurück und würden sich erst einmal über die deutsche Geschichte informieren?

Marcus Schlüter, Weil im Schönbuch

AKK in Ruhe arbeiten lassen

Seit Jahren wird aller Orten über den trostlosen Zustand der Bundeswehr genauso lamentiert wie über die deutsche Sicherheitspolitik, die sich moralisch auf höchstem Niveau bewegt, die praktische Umsetzung aber lieber anderen überlässt. Die neue Verteidigungsministerin will das ändern und hat dazu Vorschläge entwickelt, die auf der Sachebene weitgehend positiv bewertet, aber in der veröffentlichten Meinung mit dem moralischen Makel beschwert werden, AKK tue dies nur, um sich für höhere Ämter zu profilieren.

Die Motivation von AKK ist aber doch völlig irrelevant, wenn es der Ministerin gelingt, die Defizite der Bundeswehr (Ausrüstung, gesellschaftlicher Stellenwert, etc.) abzuarbeiten und die deutsche Sicherheitspolitik von der Heuchelei zwischen moralischem Anspruch und politischer Umsetzung zu befreien.

An der Diagnose des französischen Präsidenten Macron, die Nato sei hirntot, trägt leider somit auch die deutsche Regierung mit ihrer bisher fatalen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ein gerüttelt Maß an Mitschuld. Man sollte AKK daher jetzt die Chance geben, den erforderlichen Wandel politisch einzuleiten.

Wolfgang Wagner, Wadern

Hemmschwelle zu töten sinkt

Einst, in den frühen 1960er-Jahren, mokierten wir uns über die Prüfungsfrage für Kriegsdienstverweigerer, ob man, beim Spaziergang mit der Freundin im Wald, denn nicht zur Waffe greifen wür-de, wenn es darum ginge, die Liebste bei einem Überfall vor Vergewaltigung und Mord zu schützen.

Heute, in unserer liberalisierten und emanzipierten postmodernen Welt, erscheint einem diese Frage geradezu als ethisch skrupelhaft. Ging sie doch davon aus, dass Töten, verbunden mit dem Einsatz des eigenen Lebens nur als Ultima Ratio zur Selbstverteidigung zu legitimieren sei. Heute fordert unsere christdemokratische Verteidigungsministerin militärische Einsätze im Nato-Ausland als "Instrument" zur "Sicherung von offenen Handelswegen". Staatlich verordnetes Töten also, um zu verhindern, dass etwa durch eine Blockade von Öltankern der Spritpreis um zehn Cent steigen könnte?

Wie krass haben wir doch im Vergleich zu den düsteren Kalter-Krieg-Zeiten unsere öffentlichen Hemmschwellen gegenüber Töten und Erbringung von Menschenopfern fürs "Vaterland" gesenkt: Heute müsste - gäbe es die Wehrpflicht noch - das Kriegsdienstverweigerer-Prüfkomitee die Frage so stellen: "Stell dir vor: Du brauchst Benzin. Und es versperrt dir ein Bandit den Weg zur Tankstelle. Bei der nächsten Tankstelle aber ist der Sprit um zehn Prozent teurer. Was würdest du tun?" Während Töten als Instrument der Außenwirtschaftspolitik salonfähig gemacht wird - auch die Interviewer sehen darin offenbar kein ethisches, sondern nur ein strategisches Problem - verschwenden wir moralische Kapazitäten dafür, Stammtischparolen eines Fußballpräsidenten aufzubauschen.

Nur zur Klarstellung: Ich bin kein Pazifist, sondern hatte mich nach vielen ethischen Debatten in den 60ern entschieden, nicht von meinem Recht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch zu machen.

Prof. Dr. Theo Rauch, Berlin

© SZ vom 23.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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