Bundespräsident:Den Schaden hat die SPD

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Dass Frank-Walter Steinmeier bei der Regierungsbildung so zur Eile drängt und sich auch vorher massiv in die Koalitionsbildung eingemischt habe, halten Leser für befremdlich. Einer meint, der Bundespräsident habe den SPD-Parteivorsitzenden gar zum Büßer gemacht.

"Steinmeier drängt zur Eile" vom 23. Januar:

Zum Büßer gemacht

Dem Bundespräsidenten ist das Schicksal der SPD offenbar wurst. Seit die Mitgliedschaft Frank-Walter Steinmeiers ruht, hat er kaum Rücksicht auf das Wohl der Partei genommen. Es ist auch nicht erkennbar, dass er durch seine Äußerungen zu den Koalitionsverhandlungen stattdessen "dem Wohle des deutschen Volkes" gedient hätte, wie es in seinem Amtseid heißt. Vielmehr hat er dadurch nur der SPD in nicht zu rechtfertigender Weise geschadet.

Bereits durch seine völlig unnötige Äußerung im Dezember, mit der der Bundespräsident konkludent die Entscheidung der SPD-Spitze kritisierte, keine Koalitionsverhandlungen führen zu wollen, desavouierte er die SPD-Führung und schwächte so ihre Stellung in den Verhandlungen mit der Union. Diese Verlautbarung war deshalb sinnlos, weil nach dem Ende der sogenannten Jamaika-Verhandlungen ohnedies absehbar war, dass die CDU/CSU auf die SPD zugehen und nunmehr diese um Koalitionsverhandlungen bitten würde, worauf es auf jeden Fall zwischen den Parteien zu Verhandlungen über eine wie auch immer geartete politische Vereinbarung gekommen wäre - sei es über ein Duldungsabkommen oder Ähnliches, sei es schließlich doch über eine Koalition.

Durch die unverantwortliche Einmischung des Bundespräsidenten wurde statt der in den Jamaika-Verhandlungen gescheiterten und blamierten CDU/CSU die SPD-Führung in die Stellung des Bittstellers gedrängt, der nach dem Willen des "heimlichen Vorsitzenden", als welcher Steinmeier in seiner Partei offenbar angesehen wird, quasi im Büßergewand den Gang nach Canossa anzutreten hatte.

Die vom Bundespräsidenten nun getätigte Äußerung, wonach "die Menschen in Deutschland erwarten, dass jetzt ... wieder ein Regierung zustande kommt", ist dem reinen Wortlaut nach zwar nur eine harmlose Feststellung dessen, was schon vorher allen bekannt war. Da diese Banalität aber aus dem Munde des Bundespräsidenten kommt, war zu erwarten, dass sie in der Presse hochstilisiert würde zu Überschriften wie: "Steinmeier drängt zur Eile". Angesichts der Tatsache, dass nur die SPD eine Nachbesserung des Ergebnisses der Sondierungsgespräche verlangt, ist damit wiederum sie der Übeltäter, der vom Bundespräsidenten zur Ordnung gerufen wird.

Dass dieser gewollt oder fahrlässig den Eindruck erweckt, er dränge dazu, die Koalitionsverhandlungen abzukürzen, bedeutet für die SPD aber, dass ihr möglicherweise nicht die Zeit bleiben soll, in den Verhandlungen die Erreichung der von ihr vertretenen politischen Ziele bestmöglich vorzubereiten. Es ist nicht die Aufgabe eines Bundespräsidenten, als Oberlehrer der Nation aufzutreten, jedenfalls dann nicht, wenn er dadurch ins tägliche politische Geschäft eingreift. Aksel Ritter, Koblenz

Politischer Vater der Groko

Für viele Staatsbürger zählt das politische Personal viel mehr als die konkrete tagespolitische Entscheidung im jeweiligen Politikfeld. Viele wollen weniger muslimische Zuwanderung und mehr soziale Gerechtigkeit für Deutschland, weniger staatliche Gängelung und mehr persönliche Freiheit bei der Gestaltung des eigenen Lebens. Für viele Staatsbürger ist die sich abzeichnende große Koalition bereits ein großer Misserfolg, weil das, was viele wollen, genau nicht mit dem übereinstimmt, was sie auf die politische Agenda setzen würden, wenn sie etwas zu entscheiden hätten.

Es gibt drei Parteivorsitzende von CDU, CSU und SPD. Bei allen dreien wartet man täglich darauf, dass diese ihren Hut nehmen, alle drei mögen ihre Macht und würden am liebsten noch viel länger das bleiben, was sie gerade sind.

Politischer Vater dieser großen Koalition ist ein Jurist, der zunächst zufällig persönlicher Mitarbeiter Gerhard Schröders in Niedersachsen wurde, dann zufällig gleich zweimal Bundesaußenminister und zuletzt ziemlich zufällig auch noch deutscher Bundespräsident wurde. Dass diese große Koalition kommen wird, das entspringt an erster Stelle dem politischen Willen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der seit der von CDU/CSU und SPD gemeinsam krachend verlorenen Bundestagswahl mit allem seinem politischen Willen dafür kämpft. Insofern halte ich Steinmeier für den politischsten Bundespräsidenten seit Gustav Heinemann. Heinemann gehörte nach 1945 zunächst der CDU, dann der Gesamtdeutschen Volkspartei, GVP, und schließlich, als gewählter Bundespräsident, der SPD an.

Heinemann und Steinmeier scheinen sich in ihrer Bereitschaft zum aktiven politischen Gestaltungswillen ähnlich zu sein. Ob dieser politische Habitus auch der ist, den Deutschland gerade benötigt, diese Frage dürfte im politischen Diskurs auch zukünftig unterschiedlich beurteilt werden. Dr. Frank Wolfram Wagner, Lemgo

Gespaltene Sozialdemokratie

Das einzige Anliegen von Frank-Walter Steinmeier scheint unbedingt eine schnelle Regierungsbildung unter seiner alten Chefin zu sein, dafür hat er auch die Zerstörung von Autorität und Image des Parteivorsitzenden Martin Schulz und die Spaltung seiner Partei in Kauf genommen. Ebenso wenig scheinen ihn auch das Anti-Groko-Wählervotum und die sinkende Popularität von Angela Merkel zu interessieren. Kein Geringerer als der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat als Alternative Neuwahlen ohne Merkel aufgezeigt. Armin Weis, Germering

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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