Bauen:Problem Wohnungspolitik

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Die Wohnungsnot ist Folge einer Fehlentwicklung, erklärt ein SZ-Leser und fordert, darüber zu diskutieren, wie man denen, die dringend ein Zuhause brauchen, dieses bieten könnte.

Zu "Gesund, hell, für alle verfügbar" vom 18. Dezember:

Fehlgesteuerte Entwicklung

Es ist befremdlich zu lesen, dass "in einem der reichsten Länder der Welt Wohnungsnot" herrsche, wenn man bedenkt, dass in diesem Land die Wohnfläche in den letzten 30 Jahren von ca. 35 auf 47 Quadratmeter pro Kopf und die Wohneinheiten pro 1 000 Einwohner von 425 auf 511 (2019) anstiegen. Es handelt sich offenbar nicht um ein Knappheitsproblem, sondern um eine Fehlsteuerung, die man mit der "Bauen, bauen, bauen"-Initiative der letzten zehn Jahre nicht in den Griff bekam. Beim Blick in die Statistiken fällt auf, dass eine Stadt wie Hamburg fast 55 Prozent Single-Haushalte hat, aber nur 16,4 Prozent Ein- /Zweizimmerwohnungen. Rechnet man die 31,6 Prozent Dreizimmerwohnungen hinzu, so bleiben immer noch rund 70 000 Single-Haushalte, die "notgedrungen" in vier oder mehr Zimmern wohnen, da sie, selbst wenn sie sich verkleinern wollten, keine Wohnung in Hamburg finden würden. In anderen Großstädten ist es ähnlich. Dessen ungeachtet werden weiterhin überwiegend größere Wohnungen für die "wachsende Familie" gebaut. Die "schrumpfende Familie" wird in der wohnungspolitischen Debatte nicht wahrgenommen. Ähnlich sieht es bei den 14,5 Millionen Ein- /Zweifamilienhäusern aus, von denen 8,5 Millionen häufig von Ehepaaren nach Auszug der Kinder bewohnt werden. Gleichwohl werden viele neue Baugebiete für Ein- / Zweifamilienhäuser ausgewiesen, die 2019 durchschnittlich rund 16 Prozent größer ausfielen als zwanzig Jahre zuvor. Das bedeutet: Mit einem "Weiter so" in der Baupolitik bauen wir an der demografischen Entwicklung vorbei, gleichzeitig wird ein Großteil der Fortschritte bei der energetischen Sanierung durch den Mehrverbrauch an Wohnfläche pulverisiert. Dies dient weder dem schonenden Umgang mit der knappen Ressource Boden, noch hilft es dem Klimaschutz.

Offenbar wird die jährlich wachsende Zahl verfügbarer Wohnungen vom Markt aufgesogen, meist ohne denjenigen zugutezukommen, die dringend auf Wohnungen angewiesen sind. Es ist dringend zu wünschen, dass wir über neue Instrumente der Steuerung auf dem Wohnungsmarkt diskutieren, bis zur Frage: "Wie viel Wohnraum braucht der Mensch?" Mehr "Bauen, bauen, bauen" und die Marktkräfte werden es nicht richten.

Dr. Joachim Lohse, Bausenator a.D., Hamburg

Bauplatz wird knapp gemacht

Der Artikel blickt sehr oberflächlich auf die Lösung der Wohnungsproblematik. Zum Bauen brauchen alle Platz, der knapp gemacht wird, sei es durch lokale Initiativen, Naturschutz, der Verhinderung von Neubauprojekten oder von Flächenversiegelung. Zudem wird es durch Bauvorschriften immer komplizierter und teurer, sodass es oft nicht möglich ist, zu sozial verträglichen Mieten neu zu bauen. Dies ist weder durch sozialen Wohnungsbau, noch private Investoren zu lösen, sodass Ihre Überlegungen einer Lösung vorgreifen.

Jan Lennart Beering, München

© SZ vom 08.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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