Amerika:Wir alle müssen uns wehren

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Die Ermordung des Schwarzen George Floyd in Minneapolis hat viele Menschen aufgerüttelt. Auf einmal wird deutlich, was in dieser Nation alles im Argen liegt, sagen SZ-Leserinnen und Leser.

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte)

"Amerika kommt nicht zur Ruhe" und "Erbarmungslos" vom 2. Juni, "Und er ging golfen" vom 26. Mai, "Amerika zerbricht" vom 2. Mai:

Die USA brauchen Hilfe

Erneut eine Schlagzeile, die dunkelhäutige Menschen wie mich in eine Schockstarre verfallen lässt. Hunderte Fragen geistern bei dem Anblick des brutalen Videos von George Floyd durch den Kopf. Wie konnte es so weit kommen? In welcher Weise steht es Polizisten zu, mit einem Menschen umzugehen, als wäre er nichts wert und dahingehend Hilferufe zu missachten? Bei dem Fall des George Floyd handelt es sich nicht nur um willkürliche Polizeigewalt. Denn das Motiv für diese unberechtigte Gewalt ist Rassismus. Motiv für diese unberechtigte Gewalt ist eine Ideologie, nach der Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale weniger wert sein sollen als andere Menschen. Motiv für diese unberechtigte Gewalt ist Hass.

Ist es nicht langsam an der Zeit, sich mit all unserer innewohnenden Kraft dagegen zu wehren und tatsächlich was zu ändern? Wenn ich von uns spreche, meine ich uns alle. Egal ob weiß oder dunkelhäutig, egal ob Christ oder Muslim. Wenn ich von uns spreche, meine ich auch die Politik, die nun in der Schuld steht, aktiv tätig zu werden und die ihr verliehene Macht an der richtigen Stelle einzusetzen - und das weltweit. Vor allem Amerika benötigt in Zeiten wie diesen wohl Unterstützung kompetenter Staatsmächte aus aller Welt, die im Sinne der Demokratie und im Interesse der Bürger und Bürgerinnen zu handeln versuchen. Philomena Baafour, Frankfurt

Parteiensystem reformieren

Das amerikanische politische System erscheint reformbedürftig. Für 330 Millionen Einwohner gibt es wegen des Mehrheitswahlrechts nur zwei Parteien: Demokraten und Republikaner. Keine Umweltpartei, keine dezidiert soziale Partei, keine sonstige Partei. Ist das gesund? Das US-Parteiensystem erinnert etwas an die alte römische Republik von vor 2000 Jahren. Im dortigen Senat gab es auch zwei Parteien, die Optimaten und die Popularen. Die Optimaten waren die Partei der alten Aristokratie, an Reformen kaum interessiert. Die Popularen waren die Partei des neueren Adels, und wie der Name schon nahelegt, wollten sie auch die Interessen des Volkes, der Nichtadligen, in der Politik mit berücksichtigen. Aber letztlich waren auch die Popularen Aristokraten.

Viele Beobachter sagen, dass die Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern in den USA nicht sehr groß seien. Beide Parteien sind sehr unternehmensfreundlich. Die Demokraten gelten als den Banken nahestehend, und die Republikaner, so sagt man, fühlen sich der Industrie verbunden. Die Demokraten gelten im Durchschnitt als etwas sozialer eingestellt als die Republikaner. Die US-Amerikaner sollten überlegen, ob es nicht an der Zeit wäre, ihr Parteiensystem zu öffnen und vom rigiden Mehrheitswahlrecht abzugehen. Werner Seeliger, Stuttgart

Es geht um die Wähler

Typen wie Donald Trump laufen auf dieser Erde viele herum. Und niemand hält das für erwähnenswert. Das noch immer Unglaubliche geschah erst, als dieses angeblich stolze, geschichtsbewusste, rechtsstaatlich und demokratisch orientierte amerikanische Volk so einen an seine Spitze wählte. Deshalb ist der Fokus auf die Wahlen berechtigt: Es geht um die Frage nach der Korrektheit der vergangenen Wahl. Erst recht wird es aber darum gehen, wie weit Wahlbetrug und Täuschung politisch wenig informierter Wähler bei der bevorstehenden Wahl eine Rolle spielen. Wähler als Manipuliermasse. Das ist nicht nur in den USA ein virulentes Problem; auch verschlimmert durch die "neuen Medien". Dr. Max Schulz-Stellenfleth, Krummendeich

Fern jeder Einsicht

Donald Trump ist ersichtlich der schmerzhaft korrodierende Sargnagel für Amerikas Zuversicht auf eine existente Demokratie. Der Mann im höchsten Staatsamt verleugnet und verstößt ohne Unterlass (gegen) humanistische Bildung, Grundsätze und Werte. Mit dem 45. Präsidenten der USA ist bei allem realpessimistischen Zweifel an der Menschen Vernunft und Motivation etwas eingetreten, das ich nicht annähernd für möglich gehalten hätte: Dass es der vermeintliche westliche Wissens- und Aufklärungsfortschritt des 21. Jahrhunderts zulassen resp. ermöglichen würde, das (eigene) Volk einer derart infantil-destruktiven, verantwortungs- und würdelosen Machtentfaltung auszusetzen. In "the land of the free" müsste insbesondere während der Corona-Krise endlich ein Mindestmaß an Hegels "Einsicht in die Notwendigkeit" gewonnen werden. Doch die mitunter willkürlich herrschende amerikanische Regierung könnte von ebendieser Einsicht leider nicht weiter entfernt sein, als sie es seit geraumer Zeit ist. Ira Bartsch, Lichtenau-Herbram

Am Abgrund

Die immer noch mächtigste Nation der Erde, die Vereinigten Staaten von Amerika, blickt nach dem verabscheuungswürdigen Polizeieinsatz gegen George Floyd und den hieraus resultierenden schweren Unruhen in den Abgrund.

Ein unbewaffneter Schwarzer wurde wegen des Verdachts, einen gefälschten 20-Dollar-Schein in Umlauf gebracht zu haben, von einem Polizisten so lange wie ein Tier am Boden festgehalten und traktiert, bis er starb. Die Nerven liegen in weiten Teilen der Bevölkerung blank. Jede Überreaktion kann in einen Flächenbrand münden.

Die wirtschaftlichen und sozialen Unwuchten in den USA sind für europäische Verhältnisse unvorstellbar. Auf dem hohen sozialen Niveau der Europäer würde so mancher mittellose Amerikaner gerne jammern. Der dauerhafte Verlust des Jobs bedeutet in den USA in aller Regel Obdachlosigkeit und ein perspektivloses Leben von der Hand in den Mund. Corona hat die brutale Spaltung in Alleshaber und Habenichtse wie durch ein Brennglas brutal sichtbar gemacht.

Einhunderttausend Corona-Tote, 40 Millionen Arbeitslose und die erneut aufgeplatzte Rassismuswunde wirken wie Brandbeschleuniger für die bürgerkriegsähnlichen Zustände. Statt die aufgebrachte Nation zu beruhigen, läuft der Präsident mit dem Benzinkanister durch die lodernde Kulisse. Sollte Donald Trump seine verklausulierte Drohung wahrmachen und auf die Demonstranten schießen lassen, dürfte es in dem Land mit mehr als 300 Millionen Waffen im Besitz von Bürgern kein Halten mehr geben. Alfred Kastner, Weiden

Missbrauch der Bibel

Christen aller Länder, vereinigt euch!

Der amerikanische Präsident Trump lässt eine friedliche Demonstration anlässlich der grausamen Ermordung des schwarzen George Floyd gewaltsam auflösen, um sich ungestört vor einer Kirche die Bibel hochhaltend fotografieren zu lassen. Wo bleibt der Aufschrei der Kirche(n)? Wo sind weltweit die Stimmen der Bischöfe? Was hört man aus dem Vatikan?

Die Bibel wurde im Laufe der Geschichte oft missbraucht, ja die Kirche selbst hat nicht selten genug fragwürdiges Tun damit gerechtfertigt. Aber dass im Jahr 2020 ein Trump in dieser Situation sich so mit der Bibel in der Hand prostituieren kann, ohne dass ein gesamtkirchlicher Aufschrei durch die Welt geht, lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Die Kirche Jesu Christi, auch wenn jährlich Weihnachten, Ostern und Pfingsten gefeiert wird, lebt nicht mehr. Sie ist so tot wie George Floyd. Johannes Netter, München

© SZ vom 06.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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