Amazonien:Wenn Menschen ihre Grundlagen zerstören

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SZ-Leser sehen neben skrupellosen Geschäftsmodellen in Brasilien auch eine Mitverantwortung Europas und der G7-Staaten für die Urwaldbrände: Die Bauern brandroden, weil sie Felder brauchen - für den Bedarf der Industrienationen.

Kampf gegen das Feuer bei Apui in Brasilien: Obwohl Staatschef Jair Bolsonaro Brandrodung während der Trockenheit verboten hat, lodert der Urwald weiter. Bauern roden so Waldflächen, weil sie Felder brauchen. (Foto: Bruno Kelly/Reuters)

" Bolsonaro will Entschuldigung" vom 28. August, "Bolsonaro und die Brandstifter" vom 26. August und "Scheinheilig" sowie "Amazonien in Flammen" vom 23. August:

Ein Geschäftsmodell

Bolsonaro und Co. sind vor allem skrupellose Handlanger maßlos gieriger Industrieoligarchen und Agrarbarone. Letztere haben Bolsonaros Wahlkampf maßgeblich finanziert und dürfen jetzt als Gegenleistung im Rahmen einer geduldeten Gesetzlosigkeit noch mehr Regenwaldgebiete rauben und nach Steinzeitmanier niederbrennen. Appelle an Ethik und Moral helfen hier nicht, weil die Verursacher Renditen von deutlich über 30 Prozent pro Jahr erwarten. Da diese Barbarei massive globale Folgen haben wird, müssen alle bekannten Verursacher global mit aller Entschlossenheit bekämpft werden: Handelsverträge aussetzen, Einfrieren von Auslandsvermögen, Einreiseverbote, internationaler Gerichtshof und gesellschaftliche Ächtung.

Leider scheinen viele wichtige Regierungen wegen wirtschaftlicher Verflechtungen zu einem harten Vorgehen nicht bereit. So muss letztlich der Verbraucher entscheiden, ob er weiterhin Produkte aus der Wertschöpfungskette der Vernichtung von Umwelt und Mensch beziehen will. Umweltvernichtung als Geschäftsmodell ist im 21. Jahrhundert Ausdruck von Dummheit und einer geistigen Haltung, die außerhalb der Wertegemeinschaft unserer Zivilisation beheimatet ist.

Dr. Alexander Konstantinow, München

Europa ist mitverantwortlich

Ich frage mich, wie lange sollen die Anfeindungen von Bolsonaro gegenüber Macron noch gehen und wie viel südamerikanischer Regenwald soll noch abgeholzt und brandgerodet werden, ohne dass von den europäischen Staaten, insbesondere von Deutschland, endlich eine klare Ansage erfolgt. Natürlich hat Macron recht, wenn er den laxen Umgang Brasiliens mit der Umwelt kritisiert. Und natürlich ist Bolsonaro gar nicht daran gelegen, Abholzungen und Brandrodungen einzudämmen. Nicht umsonst hat er angekündigt, Hilfe nur anzunehmen, wenn Macron sich wegen angeblicher Beleidigungen entschuldigt - im Wissen, dass dies nicht geschehen wird. Sehr wohl könnte man das Mercosur-Handelsabkommen als Druckmittel verwenden. Auffällig ist schon, dass gerade vor dem Abschluss des Abkommens der südamerikanische Regenwald in einem noch nie da gewesenen Ausmaß brennt. Wird das Mercosur-Abkommen dennoch unterzeichnet, macht sich Europa mitverantwortlich, mehr Klimaschutz wird dann ab absurdum geführt.

Josef Vogl, Feldkirchen

Geld regiert die Welt

Der 24. Juli 2019 war der heißeste Tag in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Hitze- und Dürreperioden lassen sich mit früheren Sommern nicht mehr vergleichen, sondern waren eher in der Sahara üblich. Trotzdem gibt es eine steigende Anzahl von Zeitgenossen, welche die Klimaerwärmung leugnen und das politische Nichtstun propagieren. Aber die Folgen der Klimakatastrophe werden auf der ganzen Welt immer offensichtlicher. Etwa 40 000 Feuer brennen im weltgrößten Regenwaldgebiet, dem Amazonasbecken. Die Urwälder verwandeln sich in Asche. Hitze und Trockenheit haben den Wald auch bei uns erheblich geschädigt und zu Milliardenschäden geführt. Die Arktis ist bald eisfrei, und der Eisschild über Grönland taut mit rasender Geschwindigkeit, ebenso die Permafrostböden. Dabei entsteht das Treibhausgas Methan in riesigen Mengen, was das Klima weiter aufheizt. Darüber, dass wir bei uns und weltweit Millionen Tier- und Pflanzenarten ausrotten, spricht kaum jemand. Ignoranz und Kapital regieren den Globus. Diese und folgende Generationen müssen mit einem geplünderten Planeten zurechtkommen.

Conrad Fink, Freiberg am Neckar

Der Einzelne muss handeln

Jeder von uns muss zum Klimaschutz seinen Beitrag leisten und handeln. Die Politik versagt. Da wird die Urwaldrodung scharf verurteilt und gleichzeitig der Import von Billigfleisch und Soja erhöht. Bolsonaro wird dies als Erfolg seiner Politik darstellen. Um Autoexporte zu erleichtern, unterstützen wir Rechtspopulisten. Nachahmer werden folgen. Es bleibt dem Einzelnen überlassen, in seinem Verhalten Verbesserungen für den Klimaschutz zu bewirken. Konsum und Mobilität sind die Schlüssel. Es muss ein Ruck durch die Gesellschaft gehen.

Guido Bauernschmitt, Lauf

Heuchelei der G-7-Länder

Wenn die G 7 auf die Bodenschätze verzichten wollen, können sie natürlich Bolsonaro sagen, er soll gefälligst das Roden des Urwalds lassen, weil sie ansonsten wirtschaftlichen Druck ausüben. Das ist aber eine dreiste Heuchelei. Wenn den reichen Ländern das Klima tatsächlich mehr bedeutet als Luxus und Wirtschaftswachstum, dann sollten sie nicht an Symptomen rumdoktern, sondern Ursachen bekämpfen, und schuld an dem zerstörenden Verhalten der Brasilianer sind die G 7 selbst.

Gerade Europa hat zu Klimawandel und Bevölkerungsexplosion beigetragen, ist immer noch einer der größten Klimaschädlinge und Waldzerstörer und hat Mitschuld an der Armut in Ländern wie Brasilien. Solche Länder wissen sich nun nicht anders zu helfen, als ihre Urwälder und Bodenschätze auszubeuten, um zu den G 7 aufzuschließen, oder um einfach zu überleben.

Heilung bringen weder wirtschaftlicher Druck noch Hilfe zur Selbsthilfe. Es wäre stattdessen an der Zeit, dass sich die G 7 der Verantwortung bewusst werden und zum Beispiel Brasilien fürstlich dafür bezahlen, den Regenwald zu schützen. Rückwirkend müsste also eine globale Eingriffs-Ausgleichs-Regelung her.

In Deutschland ist sie ein rechtliches Instrument geworden, das die Belange des Naturschutzes wirkungsvoll durchsetzt. Eingriffe in die Natur müssen vermieden, unvermeidbare Eingriffe durch Maßnahmen zum Naturschutz ausgeglichen werden. Von den G 7 in diesem Sinne beauftragte und finanzierte Maßnahmen zum Erhalt des Regenwaldes und seiner Regeneration wären sprudelnde Einnahmequellen für Länder mit Urwäldern. Nur: Wo sollen dann Seltene Erden und das Rindfleisch herkommen?

Joachim Wolf, Aschaffenburg

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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